Der Kampf für die Freiheit von Mumia Abu-Jamal

Rede von Rachel Wolkenstein


In der Geschichte der Vereinigten Staaten haben Rechtsfälle von Klassenkriegsgefangenen schon oft ganze politische Generationen geprägt. Tatsächlich spiegeln die wichtigsten politischen Verteidigungsfälle die sozialen Kämpfe ihrer Zeit wider. Zum Beispiel war der Fall der Haymarket-Märtyrer Ende der 1880er-Jahre Teil des Kampfes für gewerkschaftliche Organisierung in den Vereinigten Staaten und für den Acht-Stunden-Tag. Sacco und Vanzetti, zwei 1927 hingerichtete Anarchisten, wurden im Rahmen der immigrantenfeindlichen, antikommunistischen Hysterie, die auf die Russische Revolution vom Oktober 1917 folgte, unter eine abgekartete Mordanklage gestellt. Der Kampf, die Scottsboro-Boys vor legalem Lynchmord zu retten, wurde in den 1930er-Jahren zu einer Mobilisierung gegen den Rassismus im amerikanischen Süden. Diese jungen Männer wurden nicht hingerichtet, sie verbrachten jedoch den größten Teil ihres Lebens im Gefängnis. Und da war der Fall von Julius und Ethel Rosenberg, die im Rahmen von McCarthys antikommunistischer Hexenjagd Anfang der 50er-Jahre hingerichtet wurden, als Reaktion darauf, dass die UdSSR die Atombombe besaß.

Ich glaube, dass der Kampf für Mumia Abu-Jamals Freiheit sehr wohl diese politische Generation prägen kann. Dies ist die nachsowjetische Periode. Durch das Fehlen der UdSSR, die das militärisch-industrielle Kraftzentrum der nicht-kapitalistischen Welt war, besitzt der US-Imperialismus eine überwältigende militärische Überlegenheit. Die Bourgeoisien aller kapitalistischen Länder haben die Angriffe auf Arbeiter, Minderheiten und Immigranten verschärft. In den USA bedeutet dies einen Impuls zu Völkermord an der schwarzen Bevölkerung verbunden mit wütenden Angriffen auf die Arbeiterklasse und die Armen. Gerade mit diesem Bewusstsein über die Bedeutung von Mumias Fall halte ich diese Rede.

Mumia ist ein ehemaliges Mitglied der Black Panther Party (BPP), ein MOVE-Unterstützer und er ist ein Journalist, der von der Todeszelle aus seinen Beruf ausübt. Er ist unschuldig an der Ermordung des Polizisten Daniel Faulkner, der im Dezember 1981 in Philadelphia erschossen wurde. Mumia wurde wegen seiner politischen Überzeugungen, Aktivitäten und Verbindungen unter eine abgekartete Anklage gestellt. Dies war ein rassistisches, politisches Komplott gegen einen Unschuldigen, einen Mann, der mit Leidenschaft und Überzeugung gegen Rassen- und Klassenbenachteiligung, für soziale Gerechtigkeit und gegen die kolonialen Vernichtungskriege des US-Imperialismus kämpft. Mumia sagt: „Ich kämpfe dafür, in Amerika eine Revolution herbeizuführen. Revolution bedeutet totale Veränderung.“ Dafür trotzte er dem Hass und den konzentrierten Bemühungen des amerikanischen bürgerlichen Staates, seine Stimme für immer zum Schweigen zu bringen. Die kapitalistischen Herrscher wollen Mumia tot sehen, denn sie sehen in ihm das Gespenst der schwarzen Revolution, von unbeugsamem Widerstand gegen ihr System rassistischer Unterdrückung.

Wir sind heute auch hier, weil sich sein Fall in einem entscheidenden Stadium befindet. Er wurde vom Dritten US-Bundesberufungsgericht, das unter anderem für die Region Pennsylvania zuständig ist, zum sogenannten „beschleunigten Verfahren“ erhoben. Im Dezember 2001 hatte das Bundesbezirksgericht bis auf einen alle Rechtsansprüche aus der bundesgerichtlichen Habeas-Corpus-Petition zurückgewiesen. Aber es hatte das Todesurteil wegen falscher Unterweisung der Geschworenen kassiert. Gegen diese Entscheidung war vom Bezirksstaatsanwalt von Philadelphia umgehend Berufung eingelegt worden. Seitdem sitzt Mumia in der Todeszelle, etwa 23 Stunden am Tag. Mumia legte ebenfalls Berufung ein, um die abgekartete Verurteilung zu kippen und seine Freiheit zu erlangen.

Dies ist tatsächlich die allerletzte Berufung, die Mumia haben wird, außer vor dem Obersten US-Gerichtshof, und ich glaube, ich brauche niemandem hier den Charakter dieses Gerichtes zu beschreiben. Ich denke, und Mumia stimmt dem zu, dass das US-Berufungsgericht höchstwahrscheinlich noch vor Ablauf des Jahres sein Urteil sprechen wird.

An erster Stelle steht die Frage von Mumias Todesurteil. Das Bundesberufungsgericht gestand Mumia zu, in nur drei weiteren rechtlichen Streitpunkten aus über 25, die er den Gerichten vorgelegt hatte, Berufung einzulegen. Und aus diesen drei Punkten ergeben sich verschiedene juristisch mögliche Szenarien, darunter ein neues Gerichtsverfahren oder neue Berufungsanhörungen vor den Staatsgerichten und dann vor den Bundesgerichten. Alternativ könnte das Berufungsgericht die Aufhebung von Mumias Todesstrafe bestätigen, was zu einer neuen Verhandlung über das Strafmaß vor einem Staatsgericht führen würde, über die Frage, ob Mumia hingerichtet werden soll oder den Rest seines Lebens im Gefängnis begraben sein soll. Schließlich könnte das Gericht ganz im Sinne der Staatsanwaltschaft befinden, und Mumias Hinrichtung würde angesetzt.

In einem Interview mit der Zeitung der Kommunistischen Partei Frankreichs (KPF) L’Humanité (25. April) sagte Mumia selbst: „Ich habe sehr wenig Hoffnung auf ein günstiges Urteil des Bundesgerichts, das sich damit einverstanden erklärte, drei der Punkte der Petition zu behandeln, die meine Verteidiger zur Berufung vorgelegt hatten.“

Das jüngste Indiz für die landesweite Bedeutung von Mumias Fall war die Hinrichtung von Stanley Tookie Williams. Bei seiner Weigerung, Tookie Williams’ Todesstrafe umzuwandeln, machte der Gouverneur von Kalifornien Schwarzenegger geltend, dass Williams kein „Bedauern gezeigt“ habe – an sich eine Vorstellung, die wir ablehnen. Als Beweis nannte Schwarzenegger, dass Tookie Leute als Vorbilder pries, die politische Gefangene waren, vor allem Mumia Abu-Jamal. Und Mumias Name wurde in der Presse wiederholt mit Tookie Williams in Verbindung gebracht. Tookie Williams’ Hinrichtung war ein augenfälliges Signal, dass der Staat Mumia tot sehen möchte. Auf typisch bescheidene Art, die Verbindung zu seinem Fall herunterspielend, beschrieb Mumia Tookies Hinrichtung als Warnung des Staates an alle Jugendlichen, die sich von Bandenaktivitäten abwenden, sich nicht in soziale Kämpfe hineinziehen zu lassen.

Wir müssen untersuchen, weshalb Mumias Fall für die Bourgeoisie von so großer Bedeutung ist. Mumias Fall ist ein Mikrokosmos des amerikanischen Kapitalismus – seiner Bösartigkeit, seiner Rachsucht und seiner Rassenunterdrückung und Klassenausbeutung. Und die Einzelheiten der Strafverfolgung, Verurteilung und der Berufungen zeigen immer und immer wieder, dass dieser Fall die Ungerechtigkeiten verkörpert, die unter dem kapitalistischen Rechtssystem alltäglich sind. Gleichzeitig ist es ein besonderer Fall politischer Verfolgung, der von den kapitalistischen Herrschern als Lektion für jeden gedacht ist, der es wagt, gegen die Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten des amerikanischen Kapitalismus zu protestieren.

Doch der Kampf für Mumias Freiheit ist auch Teil des Kampfes für die Befreiung der Schwarzen und Teil des umfassenderen Kampfes für sozialistische Revolution und dementsprechend für die Befreiung von uns allen. Der Kampf für Mumia muss mit der Einsicht in das Wesen des kapitalistischen Staates und seiner rechtlichen Institutionen beginnen. Der Staat ist eine Maschinerie zur Unterdrückung einer Klasse durch eine andere. Er ist eine Unterdrückungsmaschinerie bestehend aus der Armee, den Bullen und den Gerichten, die alle dazu da sind, die Klassenherrschaft und die Profite der Kapitalisten gegen jene zu verteidigen, deren Arbeitskraft sie ausbeuten. Der Staat ist dazu da, diejenigen, die den Reichtum der Gesellschaft produzieren, die Arbeiterklasse, an dessen gemeinschaftlicher Inbesitznahme zu hindern – um jene, die von dieser Arbeitskraft profitieren, die Bourgeoisie, an der Macht zu halten.

Der kapitalistische Staat, seine Bullen und Gerichte dienen nicht der Gesellschaft als Ganzem. All das hochtrabende Gerede von „Demokratie“ dient nur dazu, die Realität der Klassenausbeutung zu verschleiern. Es ist also entscheidend, zu verstehen, dass das Recht im Grunde in den Regeln besteht, die die Verteidigung des Privateigentums und seiner unterschiedlichen gesellschaftlichen Verhältnissse bestimmen. Die Gerichte wie auch die Staatsanwaltschaft und die Polizei sind Teil der Maschinerie zur Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems, und deshalb kann es für die Arbeiterklasse und die Unterdrückten vor den kapitalistischen Gerichten keine wirkliche Gerechtigkeit geben. Klassen- und Rassenbenachteiligung gehören zum Wesen dieses Systems. Zur Frage von Klassenbenachteiligung und Gesetz zitiere ich gerne Anatole France, der die Beobachtung machte: „Das Gesetz in seiner großen Weisheit verbietet es Armen und Reichen gleichermaßen, unter Brücken zu schlafen.“

Die Unterdrückung der Schwarzen, die Absonderung der Massen schwarzer Menschen am Boden dieser Gesellschaft, macht das Wesen der amerikanischen kapitalistischen Herrschaft aus. Und das bringt uns wieder zum Kampf für die Freiheit Mumias.

Ein Leben des Kampfes gegen rassistische Unterdrückung

Mumias politischer Lebenslauf beginnt in dem sehr jungen Alter von 13. Im Herbst 1967 gehörte er zu der Führung von etwa 3500 Oberschülern, die dafür kämpften, die Benjamin Franklin High School in Philadelphia in Malcolm X High School umzubenennen. Diese Proteste wurden durch einen Polizeiangriff unter der Oberaufsicht eines rassistischen Demagogen namens Frank Rizzo beendet, dem damaligen Polizeichef und späteren Bürgermeister von Philadelphia. Seine rechte Hand war ein gewisser Alfonzo Giordano, der damalige Leiter der Stake-Out-Sondereinsatzgruppe der Polizei, wie die Cops von Philadelphia ihr SWAT-Team [Überfallkommando] nannten. Mumia wurde aus der Highschool ausgeschlossen, weil er Flugblätter verteilt hatte, die zu „schwarzer revolutionärer Schülermacht“ aufriefen.

In seinem Buch über die Black Panther Party, We Want Freedom [South End Press, 2004], schreibt Mumia:

„Für mich begann das politische Leben mit der Black Panther Party.

Als mir eine ältere Schwester namens Audrea eine Ausgabe der Zeitung The Black Panther in die Hand drückte, etwa Frühjahr 1968, ging mir sofort ein Licht auf. Es war, als ob meine Träume wach geworden seien und in meine Wirklichkeit hineinspazierten.

Wieder und wieder las ich die Ausgabe, zärtlich fasste ich jede Seite an, als ob sie das zwiebelhäutige seidenähnliche Blatt eines heiligen Buches wäre. Meine Augen versanken in den Bildern von jungen schwarzen Männern und Frauen, ihren schlanken und herrlichen in schwarzes Leder gekleideten Körpern, wobei ihre Brust geschmückt war mit Plaketten, auf denen Rebellion, Widerstand und Revolution verkündet wurden.

Ich konnte meinen Augen kaum glauben, als ich mir die Fotos von bewaffneten Schwarzen ansah, die ihre Entschlossenheit verkündeten, auf Leben und Tod für die Schwarze Revolution zu kämpfen. Es sollte noch ein paar Monate dauern bevor ich formal einer Sache mit dem Namen Black Panther Party beitrat, aber in Wahrheit wurde ich Monate vorher Mitglied, als ich meine erste Zeitung Black Panther sah.

Ich bin mit ganzem Herzen Mitglied geworden.

Ich war erst 14 Jahre alt.“

Ein paar Monate später wurde Mumia, immer noch im Alter von 14 Jahren, von Zivilpolizisten geschlagen und verhaftet, als er gegen einen Präsidentschaftskandidaten namens George Wallace protestierte. Als Gouverneur von Alabama hatte Wallace damals dafür Berühmtheit erlangt, dass er sich in den Eingang eines Schulhauses gestellt und feierlich gelobt hatte: „Rassentrennung für immer!“ Im Jahre 1968 trug er seine Kampagne nach South Philly [Südphiladelphia], welches damals eine weiße rassistische Hochburg war. Mumia und drei Freunde gingen zu dieser Kundgebung. Mumia schreibt: „Wir spazierten in das Stadion, vier schlaksige dunkle Bohnenstangen in einem Eimer kochender weisser Bohnen. Die Band spielte ,Dixie‘. Wir riefen: ,Black Power, Ungowa, black power!‘“ Die Bullen warfen sie hinaus. Weiße rassistische Schlägertypen rotteten sich gegen die Jugendlichen zusammen und überfielen sie. Mumia sagt, er habe die Hosenbeine der Cops gesehen, als er unten am Boden lag, und er habe automatisch „Hilfe, Polizei!“ geschrien. Und da sei der Cop herübergekommen und habe ihn ins Gesicht getreten. Mumia wurde so übel zugerichtet, dass ihn seine Mutter nicht erkannte. Und so sagt Mumia auch, er sei in die Black Panther Party geprügelt worden.

Im selben Jahr 1968 verschärften J. Edgar Hoover, der damalige FBI-Chef unter dem demokratischen Präsident Lyndon Johnson, und sein Justizminister Ramsey Clark den Krieg des Staates gegen schwarze Jugendliche durch ein Programm namens COINTELPRO. Dieses FBI-„Gegenspionage“-Programm diente dazu, schwarzen Militanten etwas anzuhängen, sie mit abgekarteten Anklagen zu überziehen, ihnen die Hölle heiß zu machen, sie einzukerkern und sie sogar zu ermorden und ihre politischen Organisationen zu zerschlagen. COINTELPRO hatte seinen Ursprung in Programmen zur Bespitzelung, Störung und Einschüchterung von Linken, vor allem der Kommunistischen Partei und der Socialist Workers Party.

Die Besorgnis des FBI wegen schwarzer Militanter war nicht neu und hatte ihren Ursprung nicht in den 60er-Jahren, sondern in den Jahren unmittelbar nach der Russischen Revolution. Im Jahre 1919, als Hoover die General Intelligence Division [Allgemeine Nachrichtenabteilung] des Bureau of Investigation, Vorläufer des FBI, leitete, sagte er, „besondere Aufmerksamkeit“ solle man „der Agitation der Neger schenken, die überall in den Industriezentren des Landes vorzuherrschen scheint, und man sollte alles unternehmen, um herauszufinden, ob diese Agitation dem Einfluss der radikalen Elemente wie der IWW [Industrial Workers of the World] und der Bolschewiken zu verdanken ist.“

Im Jahre 1968 war das Hauptangriffsziel des FBI die Black Panther Party. Und Hoover warnte: „Den Negerjugendlichen und Gemäßigten muss zu verstehen gegeben werden, dass sie, wenn sie revolutionären Lehren erliegen, tote Revolutionäre sein werden.“ Als ein Führer der Black Panther Party war Mumia ein Toter auf Urlaub.

Das FBI hat Mumia im Visier

Im Jahre 1995 erhielt das Partisan Defense Committee über den Freedom of Information Act [Informationsfreiheitsgesetz] vom FBI etwa 900 Seiten an Aufzeichnungen über Mumia. Das war nicht alles, was das FBI hatte, nur das, was sie uns überließen, und das meiste davon war noch redigiert – eingeschwärzt – so dass man keine Namen und andere Einzelheiten lesen konnte. Die Akten, von denen die Polizei von Philadelphia Kopien erhielt, bewiesen, dass das FBI damit begonnen hatte, Mumia tagtäglich zu beobachten, seit er 15 Jahre alt war und die Highschool besuchte. Nun, weshalb hatten sie es auf ihn abgesehen? War es, weil er Waffen besaß und damit jemanden zu töten drohte? Nein. Er trat für das Recht auf bewaffnete Selbstverteidigung gegen staatliche Übergriffe ein, er selbst war jedoch keine bewaffnete Bedrohung für irgendjemanden. Dennoch stellte das FBI ihn unter Beobachtung wegen seiner rednerischen und schriftstellerischen Fähigkeiten. Hier ein Zitat aus einem FBI-Bericht vom Oktober 1969:

„Trotz des Alters der Person (15 Jahre) empfindet [das FBI von] Philadelphia, dass seine fortgesetzte Beteiligung an BPP-Aktivitäten im Bereich Philadelphia, seine Position in der BPP-Ortsgruppe von Philadelphia [als Minister für Information] und seine Neigung in der Vergangenheit, auf öffentlichen Versammlungen aufzutreten und zu reden, die Person in den Sicherheitsindex aufgenommen werden sollte.“

Der Sicherheitsindex war die geheime „Terroristen“liste von damals. Mumia stand auch auf der ADEX-Liste, einer Liste von Leuten, die im Falle eines „nationalen Notstandes“ zu verhaften und in Konzentrationslager zu bringen waren. Mumia befand sich im Fadenkreuz des FBI, weil er gut reden und schreiben konnte. Dies erinnert mich an die Bestrafungen – Auspeitschungen und sogar Tod –, die man Sklaven auferlegte, die die Verhaltensregeln für Sklaven missachteten und lesen lernten. Heute befinden sich laut Regierungsangaben an die 300 000 Namen auf der „Terroristen“liste; nicht alle sind US-Staatsbürger. Jeder, der als Regierungsgegner angesehen wird, kann als „Feindkämpfer“ eingestuft werden und einfach verschwinden, ohne Anklagen, ohne Prozess.

Die FBI-Akten über Mumia enthielten viele Zeitungsausschnitte von Artikeln, die er geschrieben hatte. Und das FBI bemerkte, dass er „die BPP gut aussehen ließ, weil seine Herangehensweise sehr positiv war.“ Das FBI vermerkte, es gäbe keine Anhaltspunkte für einen Hang zur Gewalttätigkeit; doch sie klassifizierten ihn als „bewaffnet und gefährlich“. Dies war eine regierungsamtliche Lizenz zum Töten.

Tatsächlich wurden unter COINTELPRO an die 38 Panther im ganzen Land getötet und Hunderte aufgrund von abgekarteten Anklagen ins Gefängnis geworfen. Im Dezember 1969 griffen das FBI und örtliche Bullen im ganzen Land Parteibüros der Black Panter Party an. In Chicago ermordeten das FBI und die Chicagoer Polizei zwei junge Führer der Black Panther Party: Fred Hampton und Mark Clark. Sie wurden im Bett erschossen.

Mumia fuhr nach Chicago und besichtigte Hamptons und Clarks zerschossene Wohnung. Er kehrte mit anderen Mitgliedern der Black Panther Party nach Philadelphia zurück und erhob auf Protestkundgebungen zusammen mit prominenten Mitgliedern der schwarzen Gemeinde von Philly seine Stimme gegen die Mörder. Kurz danach, im Januar 1970, brachte die Titelseite des Philadelphia Inquirer einen Artikel über Mumia und die Panther. Dieser Artikel brachte ein Foto von Mumia im Alter von 15, wie er im Panther-Büro saß und über die Rolle der Black Panther Party und die staatlichen Angriffe auf sie sprach. Dasselbe Foto ist auch auf der Vorderseite von Mumias Buch We Want Freedom [Wir wollen Freiheit].

Damals hatten die Panther eine Wendung zur Sozialarbeit unter Schwarzen vollzogen, und sie engagierten sich zum Beispiel sehr in Frühstücks-Programmen für arme Kinder, Leseprogrammen und dergleichen. In dem Inquirer-Artikel beschreibt Mumia dies als „tun, was die Kirchen tun sollten“. Er sagte auch, dass die Panther der Realität ins Auge sehen sollten – dass die Polizei und das FBI Panther im ganzen Land angriffen und töteten. Er führte die Sprüche Mao Zedongs an, des damaligen Führers von China. Diese Sprüche, wie „Alle Macht dem Volke“ und „Politische Macht kommt aus den Gewehrläufen“, wurden von den Panthern benutzt und fanden allgemeine Verbreitung unter der Neuen Linken. Wie Mumia erklärte, als diese Zitate dazu benutzt wurden, ihm während seiner Strafzumessungsverhandlung von 1982 einen Strick zu drehen, sollte letzterer Spruch bedeuten, dass historisch gesehen alle Staaten durch Gewalt entstehen. Mumia bezog sich auf die Vereinigten Staaten und die nahezu völlige Ausrottung der amerikanischen Eingeborenen. Durch Gewalt wurde die Institution der Sklaverei am Leben erhalten, und ebenso durch Gewalt, gipfelnd in dem Sieg der Union im Bürgerkrieg, wurde diese beendet.

Mumia stand auch unter täglicher Überwachung durch die Philadelphia Civil Defense Unit, die Philadelphia-Version der Red Squad, die von einem Polizisten namens George Fencl geleitet wurde. Die Philly Red Squad war selbst ein Vorbild für COINTELPRO und führte damals Akten über etwa 18 000 Personen in Philadelphia.

Es gab 1970 drei Razzien in den Büros der Philly Black Panther Party. Fencls Civil Defense Unit übernahm die Führung, unterstützt von den bewaffneten Stake-Out-Polizisten unter der Leitung von Giordano. Die Cops waren wütend, dass ihre Razzien nicht zu Schießereien und zu Toten unter den Panthern führten.

Mumia selbst wurde ins Visier genommen und zum Ziel eines FBI-/Polizeizugriffs, als er ein Flugzeug von Philly zur Westküste besteigen wollte. Er schrieb gerade für die Zeitung der Black Panther Party, die ihre Redaktion in Oakland hatte. Das Polizeimanöver erbrachte nicht viel, denn er hatte keine Waffe bei sich – das war es, wonach die Bullen suchten.

Die Panther waren die Besten jener Generation militanter schwarzer Jugendlicher. Doch als nationalistische Organisation lehnten sie den einzigen Weg, der zur Zerstörung der rassistischen kapitalistischen Ordnung führt, ab: die revolutionäre Mobilisierung der multirassischen Arbeiterklasse. Die Panther wurden sowohl durch Polizeiterror von außen als auch durch mörderische gegenseitige Kämpfe im Inneren zerstört, welche durch COINTELPRO sowohl geschürt als auch verschärft wurden.

„Stimme der Entrechteten“

Anfang der 70er-Jahre besuchte Mumia das Goddard College in Vermont. Damals startete das FBI abermals einen Versuch, Mumia fertig zu machen, und versuchte ihm sonderbarerweise den Mord an dem Gouverneur der Bermudas und seinem Assistenten anzuhängen. Zum Glück wurde Mumia dadurch geschützt, dass er ein wasserdichtes Alibi hatte. Als er Mitte der 70er-Jahre nach Philadelphia zurückkehrte, begann Mumia eine Laufbahn als Radiojournalist. Und er erlangte schnell Ansehen für seine Berichterstattung über Polizeiübergriffe.

Als Journalist wurde Mumia die „Stimme der Entrechteten“ genannt. Er wurde beschrieben als einer, der von den „Triumphen und Tragödien armer und unterdrückter schwarzer und hispanischer Menschen mit Leidenschaft und Redegewandtheit sprach – sowohl in englischer als auch in spanischer Sprache“. Er interviewte den Basketballstar Julius Erving, Bob Marley, puertoricanische Independistas, Ossie Davis und Ruby Dee. Er galt als aufsteigender Star – für seine Kollegen im Milieu der Radio- und Fernsehjournalisten war er der logische schwarze Kandidat für einen landesweiten Sendeplatz im Fernsehen. Das Philadelphia Magazine (Januar 1981) ernannte Mumia zu einem der „People to Watch in 1981“ [Leute, die 1981 Beachtung verdienen]. Er wurde zum Präsidenten der Ortsgruppe Philadelphia der Vereinigung schwarzer Journalisten gewählt.

Von 1977 bis zum Sommer 1978 gab es eine einjährige Belagerung des MOVE-Hauses in dem integrierten Stadtviertel Powelton Village von Philadelphia durch die Polizei. Für diejenigen von euch, die es nicht wissen: MOVE ist eine rassenübergreifende, kommuneartige Zurück-zur-Natur-Organisation, die für bewaffnete Selbstverteidigung eintritt und einige Ex-Panther zu ihren Mitgliedern zählte. Sie stieß bei der Polizei und beim Staat auf Feindseligkeit und wurde verfolgt. Der leitende Cop bei dieser Belagerung war niemand anderes als Alfonzo Giordano. Die Belagerung endete damit, dass an die 600 Polizisten unter der Führung von Stake-Out-Polizei das Haus beschossen und dass ein verwundeter, Delbert Africa, MOVE-Mitglied und ehemaliger Panther, von der Polizei brutal zusammengeschlagen wurde.

Die MOVE-Gruppe glaubte an verbale Konfrontation mit dem System und trat, wie ich sagte, für bewaffnete Selbstverteidigung ein. Doch sie hatten die Schusswaffen, die sie auf der Veranda ihres Hauses zur Schau stellten, unbrauchbar gemacht. Nach dem Polizeiangriff wurden neun MOVE-Mitglieder vor Gericht gestellt und wegen Mordes an einem Stake-Out-Polizisten namens James Ramp, der in Wirklichkeit durch Polizeikreuzfeuer getötet wurde, verurteilt. Die MOVE-Mitglieder wurden zu 30 bis 100 Jahren Gefängnis verurteilt. Mumia war empört über die Belagerung, Delberts Verprügelung und die abgekarteten Verurteilungen. (Sie sind noch heute im Gefängnis.) Auf seiner Pressekonferenz, die dem Bullenüberfall folgte, sah der damalige Bürgermeister Frank Rizzo Mumia direkt an und erklärte, dass eine „neue Sorte Journalismus“ für Ramps Tod die Schuld trage und dass eines Tages Leute wie Mumia „dafür verantwortlich gemacht und zur Rechenschaft gezogen werden müssten“.

Die Belagerung des MOVE-Hauses und Delbert Africas grausame Verprügelung, in Nachrichtenfilmen festgehalten, waren der Gipfelpunkt einer ganzen Welle von kaltblütigen Straßenhinrichtungen durch die Polizei und Enthüllungen über systematische durch die Mordkommission von Philadelphia angewandte Verschwörungsmethoden. Darüber wurde in einer mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Serie im Philadelphia Inquirer mit dem Titel „The Homicide Files“ [Die Mordkommisionsakten] berichtet, worauf ein Film aus dem Jahre 2001, The Thin Blue Lie [Die dünne blaue Lüge], basiert. Der Inquirer (20. August 1978) schrieb in seinem Leitartikel, dass „Ärger und Enttäuschung“ über Polizeigewalt „schreckliche und explosive Ausmaße“ annehmen könnten.

Im Jahre 1979 veranlasste das US-Justizministerium einen Bürgerrechtsprozess, um die Polizeiabteilung in Philadelphia unter Zwangsverwaltung zu stellen, wobei es „weit verbreitete, willkürliche und unverantwortliche körperliche Übergriffe“ anführte. Die Antwort der Polizei kam prompt. An die 400 Polizisten, gerade nicht im Dienst, stürmten die Büroräume des Philadelphia Inquirer und protestierten gegen die Veröffentlichung von Fotos von Delbert Africas Verprügelung. Etwa 2000 Polizisten zwängten sich in ein FOP-Vereinslokal (Fraternal Order of Police – Polizeibruderschaft), um die Entlassung eines schwarzen Cops, Alphonso Deal, zu fordern, der gleichzeitig Leiter einer NAACP-Ortsgruppe [Nationale Vereinigung zur Förderung Farbiger] in Nordphiladelphia war. Als drei Mitglieder der Stake-Out-Einheit wegen der Verprügelung Delbert Africas angeklagt wurden, marschierten 500 Bullen zum Rathaus, und der Chef der Bullen„gewerkschaft“ von Philly wetterte: „Man hätte sie alle umbringen sollen.“ Die Frauengruppe der Polizistenehefrauen von Philly protestierte gegen den Prozess des Justizministeriums und sagte, sie hätte seit den 70er-Jahren Beweise für eine „Verschwörung von Revolutionären und Radikalen zur Ermordung von Polizisten“ gesammelt. Es war keine Überraschung, dass der Bürgerrechtsprozess des Bundes bald aufgrund „fehlender Zuständigkeit“ fallen gelassen wurde.

Mumia berichtete wohlwollend über die neun MOVE-Angeklagten („MOVE 9“) bei dem Prozess gegen sie, und er machte ihre abgekartete Verurteilung vom August 1981 und auch den Freispruch für die Bullen bekannt, die Delbert Africa verprügelt hatten. Mumia war auch da, als John Africa, der MOVE-Führer, im Juli 1981 von Bundesanklagen der Verschwörung und des Waffenbesitzes freigesprochen wurde. Bei alledem war Mumia der einzige, der die Sache aus der Sicht der Africas darstellte. Damals wurde Mumia zum MOVE-Unterstützer und hatte Dreadlocks. Niemand trug damals Dreadlocks außer MOVE-Unterstützern und Rastafaris. So erregte er großes Aufsehen, als er mit diesen Dreads erschien. Jeder konnte sehen, auf wessen Seite er stand. Als er seine Unterstützung für MOVE in Wort und Schrift verstärkte, verlor Mumia seine Festanstellung als Radiojournalist und begann einen Teilzeitjob als Taxifahrer, um über die Runden zu kommen.

Der abgekartete Prozess von 1982

Ich möchte den Punkt hervorheben, dass Mumias sichtbare Führungsrolle innerhalb der Black Panther Party, sein hohes Profil als Journalist und seine Unterstützung für MOVE alles in dem sehr kurzen Zeitraum von zehn Jahren stattfand. Mumia war sehr bekannt. Die gleichen Polizisten, die auf die Black Panther Party angesetzt waren, leiteten die Angriffe auf die MOVE-Organisation. Verantwortlich war die ganze Zeit Rizzo. Und es waren gerade mal ein paar Monate nach der Verurteilung der MOVE 9 im August 1981 und nach John Africas Freispruch, als Mumia auf der Straße niedergeschossen, verprügelt und unter einer abgekarteten Mordanklage festgenommen wurde. August bis Dezember 1981 – das ist der Zeitraum, von dem wir sprechen.

Die Einzigartigkeit dieses Falles wird deutlich in der anfänglichen Berichterstattung der Zeitungen über die Erschießung des Polizisten Daniel Faulkner. In den frühen Morgenstunden des 9. Dezember 1981 wurde Mumia im Stadtzentrum von Philadelphia, dem Rotlichtviertel, von den Bullen niedergeschossen und verprügelt. Er wurde wegen Mordes an Daniel Faulkner verhaftet. Doch die Überschrift im Philadelphia Inquirer war wirklich erstaunlich: „Der Verdächtige – Jamal: Ein redegewandter Aktivist, der sich nicht scheut, seine Stimme zu erheben.“ Das ist doch eine tolle Schlagzeile für einen Kerl, der gerade beschuldigt worden ist, kaltblütig einen Polizisten getötet zu haben. Der Inquirer beschrieb Mumia in diesem Artikel als einen „Plagegeist unter den Journalisten und leicht zu erkennen an seiner Dreadlock-Frisur, seiner revolutionären Politik und seiner tiefen Baritonstimme“.

Zum Zeitpunkt von Mumias Prozess hielt es niemand für möglich, dass er tatsächlich verurteilt werden könnte. So völlig untypisch für Mumia und für das, was er vertrat, war das Verbrechen, dessen er angeklagt war. Während seiner Zeit in der Black Panther Party war Mumia bekannt als derjenige, der verstand, dass die Bullen versuchten, die Panther zu Reaktionen zu provozieren, mit denen Schlägermethoden, Schusswaffengebrauch und Tötung durch die Polizei „gerechtfertigt“ werden könnten. Mumia war derjenige, der den Leuten half, bei Polizeiprovokationen cool zu bleiben.

Von all dem erfuhr ich, als wir begannen, in dem Fall zu ermitteln und Unterstützung für Mumia zu organisieren. Jahrelang nach seiner Verurteilung galt weithin die Darstellung der Staatsanwaltschaft, ihr Fall sei hieb- und stichfest, als ausgemacht: ein Geständnis, drei Augenzeugen, ballistische Beweise. Dennoch war es für die Cops und die Staatsanwaltschaft eine sensationelle Überraschung, dass sie eine Verurteilung Mumias bekamen. Das bestätigte 1986 ein Interview des Philadelphia Magazine mit Joseph McGill, dem Staatsanwalt, der gegen Mumia Klage erhoben hatte, wo es hieß: „Jamals Verurteilung galt in Kreisen der Strafverfolger als ein Wunder.“

In einem bemerkenswert kurzen Zeitraum von Dezember 1981 bis Juli 1982 wurde Mumia angeklagt, für schuldig befunden und zum Tode verurteilt, durch geheime Absprachen des Staatsapparates – der Polizei, der Staatsanwaltschaft und des Gerichts. Zeugen wurden gekauft und terrorisiert, Mumias Geständnis wurde gefälscht und ballistische Beweise wurden erfunden. Bei der Verhandlung präsentierte der Staatsanwalt einen Haufen von Lügen: Mumia habe einen Polizisten gesehen, der seinen Bruder schlug, und habe dem Polizisten in den Rücken geschossen. Als sich der Polizist dann herumdrehte und fiel, habe er Mumia in die Brust geschossen. Schließlich habe Mumia angeblich über dem gestürzten Polizisten gestanden, der bäuchlings auf dem Boden lag, und habe ihm wie bei einer Hinrichtung mehrere Male in den Kopf geschossen. Der Staatsanwalt behauptet, es habe drei unmittelbare Zeugen der Schießerei gegeben. Da war Cynthia White, eine Prostituierte; ein anderer war ein weißer Taxifahrer namens Robert Chobert; und ein weiterer war Michael Scanlan, ein junger Mann, der in der Gegend mit dem Auto unterwegs war. Laut Staatsanwalt sei Mumias Schusswaffe am Tatort neben Mumia gefunden worden, und Mumia habe im Krankenhaus gegenüber einem Bullen und einer Angestellten des Sicherheitsdienstes ein Geständnis abgelegt. Das sind alles Lügen, wie ich etwas später darlegen werde.

Der Richter Albert Sabo, bekannt als Henker-Richter oder Richter Tod, hatte mehr Angeklagte in die Todeszelle geschickt als irgendein anderer Richter in den ganzen Vereinigten Staaten. Ungefähr 20 Jahre später hatte eine Gerichtsstenografin den Mut, sich zu melden und zu erzählen, sie habe Sabo zum Zeitpunkt des Prozesses sagen hören, er würde helfen, „den N----r zu braten“.

Jeder Abschnitt des Gerichtsverfahrens war manipuliert. Jedes sogenannte verfassungsmäßige Recht auf ein „faires Verfahren“, auf einen ordnungsgemäßen Prozess, wurde verletzt. Mumia wurden finanzielle Mittel für Ermittlungen und für Sachverständige in ballistischen und medizinischen Fragen verweigert. Ihm wurden Informationen verweigert, wie er Zeugen erreichen konnte. Ihm wurde ein Verteidiger aufgenötigt, der nicht nur unerfahren war, sondern auch gezwungen wurde, bei dem Fall zu bleiben, als er sich dazu für unfähig erklärte.

Die Anklage lehnte schwarze Geschworene ab. Es war die vorsätzliche Politik der Staatsanwaltschaft, die Staatsanwälte darin zu trainieren, wie man Schwarze von der Geschworenenbank ausschließt und es gleichzeitig so aussehen lässt, dass etwas anderes als die Rasse der Grund dafür sei. Dies war ein absoluter Verstoß gegen damals neueste Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes. Die Frage des Ausschlusses von Schwarzen aus der Jury ist einer der Berufungspunkte in Mumias Fall.

Das Gericht gestand Mumia nicht die von ihm gewünschte rechtliche Vertretung zu, ließ ihn auch nicht sich selbst verteidigen und warf ihn während der Aussagen der Hauptzeugen aus dem Gerichtssaal. Tatsächlich war Mumia zu überzeugend, zu intelligent und trat vor den Geschworenen ganz im Gegensatz zu dem Image vom wilden Mann auf, das der Staatsanwalt und der Richter zu vermitteln versuchten.

Richter Sabo und der Staatsanwalt erlaubten der Verteidigung nicht, Gary Wakshul als Zeugen zu laden – der Polizist, der bei Mumia war von seiner Verhaftung bis zu seinem Krankenhausaufenthalt und der in seinem offiziellen Bericht erklärte: „Der männliche Neger machte keine Äußerungen.“ Dies beraubte die Verteidigung der Munition gegen die Erfindung der Polizei, Mumia habe ein Geständnis abgelegt. Mit Sabos Hilfe behinderte die Anklage die Präsentation von Zeugen, die sagten, sie haben den Schützen weglaufen sehen. Der Staatsanwalt kam auch mit dem Argument durch, Mumias Leumundszeugin, eine bekannte schwarze Dichterin namens Sonia Sanchez, sei „mit Polizistenmördern befreundet“ und solle nicht angehört werden. Warum? Weil sie ein Vorwort für Assata Shakurs Autobiographie geschrieben hatte. (Shakur, die jetzt im Exil in Kuba lebt, war ein Mitglied der Black Liberation Army [Schwarzen-Befreiungs-Armee] und wurde zu Unrecht angeklagt, einen Staatspolizisten aus New Jersey getötet zu haben.) Außerdem behauptete die Anklage im Schlussplädoyer wahrheitswidrig, es gäbe für den Zeugen Robert Chobert keinen Grund, hinsichtlich seiner Identifizierung Mumias zu lügen.

Der Staatsanwalt argumentierte auch, Mumia würde „eine Berufung nach der anderen“ bekommen, und gab den Geschworenen den Rat, sie müssten nicht wirklich die Beweise ernsthaft prüfen und den Staat in seine Pflicht nehmen, Mumias Schuld über jeden begründeten Zweifel hinaus zu beweisen – da sein Fall später von einem anderen Gericht nochmals überprüft werden würde. Dies ist ein weiterer Berufungspunkt vor dem Dritten Berufungsgericht.

Legaler Lynchmord

Das Todesurteil für Mumia im Jahre 1982 gründete sich auf das Argument des Bezirksstaatsanwalts, dass Mumias Aussagen „Politische Macht kommt aus den Gewehrläufen“ und „Alle Macht dem Volke“ als 15 Jahre junges Mitglied der Panther – ein Jahrzehnt bevor Faulkner getötet wurde – Beweis dafür seien, dass Mumia schon immer vorhatte, einen Polizisten zu töten. Diese Zitate stammten aus jenem Artikel vom Januar 1970. Sie waren das einzige Beweismaterial, das man vorbrachte, um zu zeigen, dass Mumia die Absicht gehabt habe, diesen Polizisten zu töten – d. h. dass ein Vorsatz vorgelegen habe.

Mumia beschreibt das in dem PDC-Video From Death Row, This Is Mumia Abu-Jamal so: „Das Wort Black Panther bedeutet für verschiedene Leute verschiedene Dinge, je nach ihrem Standpunkt, je nach ihrer Vergangenheit, je nach ihrer politischen Orientierung. Der Ankläger wusste das ganz genau... Ich sah es, als es die Geschworenen traf; es war wie ein elektrischer Schlag. Peng.“

Mumia wurde am 2. Juli 1982 für schuldig befunden und am 3. Juli zum Tode verurteilt. Danach eilten die Geschworenen nach Hause, um den Vierten Juli [Unabhängigkeitstag] zu feiern.

Die abgekartete Verurteilung war der Höhepunkt von fast 15 Jahren Bemühungen des Staates. Die Losung von Mumias Unterstützern zur Zeit seines Prozesses war: „Sein einziges Verbrechen war, dass er überlebt hat.“ Als wir erstmals Mumias Verteidigung aufnahmen, beschrieben wir den Versuch der Bullen, ihn zu töten, und die abgekartete Verurteilung als den langen Arm von COINTELPRO, der bis in den Gerichtssaal reicht.

Nach 1982 dümpelte Mumias Fall nur dahin. Die gerichtlichen Berufungen kamen jahrelang nicht richtig voran, da der Staat keinen Berufungsanwalt für Mumia bestimmte. Die einzige Organisation, die ihn in jener Zeit verteidigte, war außer MOVE die Revolutionary Communist Party (RCP), wofür ihr Ehre gebührt. Das Partisan Defense Committee und die Spartacist League erfuhren von Mumias Fall erst Ende 1986.

Das PDC greift Mumias Fall auf

Wir erfuhren von Mumias Fall durch das MOVE-Mitglied Ramona Africa. Um die näheren Umstände davon zu erklären, muss ich ein wenig über das Partisan Defense Committee erzählen. Die Spartacist League rief das Partisan Defense Committee 1974 ins Leben. Als Vorbild diente die International Labor Defense (ILD) unter James P. Cannon von der frühen Kommunistischen Partei. Wir sind eine klassenkämpferische, nichtsektiererische Organisation zur rechtlichen und sozialen Verteidigung. Wir vertreten auch das Motto der IWW: „Ein Angriff auf einen ist ein Angriff auf alle.“ Wir treten ein für Fälle und Anliegen – ohne Ansehen der Organisation oder Person –, deren erfolgreicher Ausgang im Interesse der Gesamtheit der Werktätigen liegt. Dies bedeutet per definitionem, dass diejenigen, die wir verteidigen, nicht mit den politischen Ansichten der Spartacist League übereinstimmen müssen und dies auch oft nicht tun.

Kurz etwas über unsere Geschichte. Wir verteidigten militante Linke nach dem Putsch gegen die Allende-Regierung 1973 in Chile. Wir verteidigten einen chilenischen Bergarbeiterführer, dessen Leben in Chile gefährdet war und der bald darauf von der Junta in Argentinien bedroht wurde. Wir verteidigten Mitglieder der Black Panther Party, die im Grunde vergessen waren, wie Geronimo ji Jaga (Pratt). Wir initiierten Anti-Klan- und antifaschistische Mobilisierungen und erhoben dagegen Anklage, als „Terroristen“ verleumdet zu werden – das war gegen die Moon-Sekte und gegen das FBI, das die Spartacist League auf seine Liste einheimischer Terroristen setzen wollte, eine Art Vorläufer des USA Patriot Act. Und wir gewannen diese Prozesse. Wir unterstützten die britischen Bergarbeiter 1984/85 in ihrem Streik gegen die Massenschließungen von Kohlengruben, und wir verteidigten die MOVE-Organisation nach dem Brandbombenangriff auf ihre Kommune am 13. Mai 1985, bei dem elf Männer, Frauen und Kinder verbrannt wurden. Ramona Africa saß ihre siebenjährige Haftstrafe bis zum letzten Tag ab, für das „Verbrechen“, die einzige erwachsene Überlebende zu sein.

Im Jahre 1986 begann das PDC in der Tradition der ILD mit einem Programm, Gefangene des Klassenkriegs als Akt der Solidarität mit einem monatlichen Stipendium zu unterstützen. Zu den ersten Klassenkriegsgefangenen, denen wir ein Stipendium gaben, gehörten Geronimo ji Jaga (Pratt), eingekerkerte britische Bergarbeiter und MOVE-Gefangene. Zu den MOVE-Gefangenen gehörten: Alberta Africa, verurteilt zu sieben Jahren Haft für eine Demonstration mit „Schusswaffen auf der Veranda“ im Mai 1977; die Opfer des Powelton-Village-Angriffs von 1978, gegen den Mumia protestiert hatte; sowie Ramona Africa. 1989 organisierte das PDC eine Kampagne, Geld für die zivilen Opfer in Jalalabad, Afghanistan, zu sammeln, die nach dem kriminellen Rückzug der sowjetischen Truppen der Rache der CIA-unterstützten islamisch-fundamentalistischen Mudschaheddin ausgeliefert waren. Jede dieser Kampagnen ist eine eigene Geschichte, wobei das PDC unsere klassenkämpferische Verteidigungspolitik in Übereinstimmung mit den politischen Ansichten der Spartacist League auf entscheidende historische Ereignisse anwandte.

Durch Ramona Africa und andere MOVE-Gefangene erfuhren wir von Mumia. Sie baten uns, seinen Fall aufzugreifen. Zusammen mit Paul Cooperstein, einem anderen Anwalt, der mit dem PDC zusammenarbeitete, traf ich Mumia erstmals im August 1987. Er wurde in Huntingdon, Pennsylvania, in Einzelhaft gehalten – nicht nur in der Todeszelle eingesperrt, sondern weiter isoliert und bestraft im Disziplinierungstrakt des Gefängnisses. Der Grund: Er hatte sehr lange Dreads, die er sich als Anhänger John Africas aus religiöser Überzeugung nicht abschneiden wollte. Dies wurde als „Verstoß gegen die Sicherheit“ angesehen, der die Gefängnisinsassen gefährdete. Mumia lebte in völliger Isolierung. Er durfte keinen Besucherkontakt mit irgendjemandem aufnehmen und man hinderte ihn daran, andere Bücher zu bekommen, als juristische und religiöse, oder einen Fernseher oder ein Radio zu haben. In Unkenntnis dessen schickte ihm das PDC die Columbia Desk Encyclopedia, die uns zurückgesandt wurde.

Uns wurde klar, dass die Grundlage für Mumias Todesurteil einfach seine Mitgliedschaft in der Black Panther Party war. Wir empfanden es als zwingende Notwendigkeit, Mumias Verteidigung aufzunehmen, dessen Fall ein Symbol für die Todesstrafe ist, für den Rassismus, der ihr auf Grund ihres Ursprungs und ihrer Anwendung in den Vereinigten Staaten innewohnt. Und wir übernahmen seine Verteidigung als Teil des allgemeineren Kampfes gegen das Abstempeln von Menschen als „Terroristen“ – denn als genau das sah man die Panther an, als die „Terroristen“ jener Zeit – und gegen die Verhängung der Todesstrafe gegen politische Aktivisten auf Grund ihrer politischen Ansichten oder organisatorischen Zugehörigkeit.

Sicher wussten wir, dass es in diesem Land eine lange, blutige Geschichte des staatlichen Terrors und Mordes an Schwarzen gibt. Doch bemerkenswert an Mumias Fall in der Periode nach McCarthy und nach dem Vietnamkrieg war der offene Gebrauch des rechtsstaatlichen Repressionsapparates, um einen Mann wegen seiner politischen Ansichten zum Tode zu verurteilen.

Die rassistische Todesstrafe ist die äußerste Form staatlicher Repression, die es gibt. Und in diesem Lande ist sie das von uns als „legaler Lynchmord“ bezeichnete Vermächtnis der Sklaverei. Diese Terminologie fand viel weitere Verbreitung, seit wir dieses Argument erstmals vorgebracht hatten.

Im Jahre 1987, etwa zur gleichen Zeit, als wir Mumias Fall aufgriffen, entschied der Oberste Gerichtshof der USA in einem Fall namens McCleskey vs. Kemp, dass die überwältigenden Beweise für eine rassistische Ungleichheit bei der Anwendung der Todesstrafe keine Rolle spielten. Das höchste Gericht des Landes befand, es sei zwar bewiesen, aber nicht relevant, dass man als Schwarzer, der des Mordes an einem Weißen für schuldig befunden wurde, mit viermal so hoher Wahrscheinlichkeit zum Tode verurteilt wird wie ein Weißer, der des Mordes an einem Schwarzen für schuldig befunden wurde. Im Januar 2005 waren laut dem NAACP-Rechtsverteidigungsfonds etwa 42 Prozent der Insassen im Todestrakt Schwarze – das ist ungefähr das Dreifache des Anteils der Schwarzen an der US-Bevölkerung.

Der Oberste Gerichtshof entschied, dass das gesamte im McCleskey-Fall vorgebrachte Beweismaterial nicht relevant sei, denn das würde „in letzter Konsequenz die Prinzipien, die dem gesamten Strafrechtssystem zugrunde liegen, ernsthaft in Frage stellen“. Mit anderen Worten gab das Gericht zu, dass Schwarze wirklich anders behandelt werden als Weiße und dass sie wirklich überproportional oft zum Tode verurteilt werden. Aber weil diese rassische Ungleichheit dem amerikanischen Rechtssystem zugrunde liegt, wollte der Oberste Gerichtshof McCleskeys Todesstrafe nicht aufheben. Der Oberste Gerichtshof entschied, dass es nicht relevant sei, weil es in Wirklichkeit von absoluter, entscheidender Relevanz ist.

Warren McCleskey wurde am 25. September 1991 hingerichtet.

Für uns als Marxisten beginnt die Ablehnung der Todesstrafe nicht mit der Rassenbenachteiligung bei ihrer Anwendung, noch endet sie damit. Wir gestehen dem Staat einfach nicht das Recht zu, darüber zu entscheiden, wer leben und wer sterben soll. Das Festhalten an der Todesstrafe ist nicht nur die Position der Bush-Regierung oder der Republikanischen Partei oder von Leuten, die man als Ultrakonservative einschätzen würde. Der ehemalige demokratische Präsident Bill Clinton unterzeichnete den Anti-Terrorism and Effective Death Penalty Act [Gesetz gegen den Terrorismus und für eine wirkungsvolle Todesstrafe] von 1996, der das Recht von Gefangenen in der Todeszelle, ihr Todesurteil anzufechten, entscheidend aushöhlte. Während des Präsidentschaftswahlkampfes von 1992 flog Clinton zurück nach Arkansas, um – als Wahlkampfmanöver – die Hinrichtung eines hirngeschädigten Schwarzen, Ricky Ray Rector, zu beaufsichtigen.

Der Kampf gegen das System abgekarteter Anklagen

Die PDC-Kampagne für Mumia, begonnen 1988, war verbunden mit dem Kampf zur Abschaffung der rassistischen Todesstrafe. Von Anfang an kämpften das Partisan Defense Committee und die Spartacist League dafür, breitere Kräfte für die Verteidigung Mumias und gegen die rassistische Todesstrafe zu gewinnen. Sie klärten dabei andere über den politischen und rassistischen Hintergrund des Komplotts auf und betonten die Notwendigkeit einer klassenkämpferischen Verteidigung. Dies bedeutet, dass wir kein Vertrauen in den Staat oder in bürgerliche Politiker setzen, seien sie schwarz oder weiß, Demokraten, Republikaner oder Grüne. Wir haben keine Illusionen in die „Gerechtigkeit“ der kapitalistischen Gerichte.

Wir gingen die Kampagne nach den Prinzipien der klassenkämpferischen, nichtsektiererischen Verteidigung an. Folgendes schrieb James P. Cannon, als Sacco und Vanzetti der Todesstrafe gegenüberstanden:

„Die eine Politik ist die Politik des Klassenkampfes. Sie legt das zentrale Gewicht auf die Protestbewegung der Arbeiter Amerikas und der Welt. Sie legt alles Vertrauen in die Macht der Massen und überhaupt kein Vertrauen in die Gerechtigkeit der Gerichte. Sie unterstützt alle denkbaren rechtlichen Vorgehensweisen, ruft aber zu Agitation, Propaganda, Demonstrationen – organisiertem Protest auf nationaler und internationaler Ebene – auf. Sie ruft zur Einheit und Solidarität aller Arbeiter in dieser brennenden Angelegenheit auf, trotz widerstreitender Ansichten in anderen Fragen. Diese Politik war es, die bisher die Hinrichtung von Sacco und Vanzetti verhindert hat. Ihr Ziel ist nichts anderes als deren siegreiche Rehabilitierung und Befreiung.

Die andere Politik ist die Politik der ,Respektabilität‘, der ,Leisetreterei‘ und lächerlicher Illusionen über ,Gerechtigkeit‘ der Gerichte des Feindes. Sie verlässt sich vor allem auf juristische Vorgehensweisen. Sie versucht, die Frage des Klassenkampfes auszublenden. Sie schreckt vor den ,vulgären und lauten‘ Demonstrationen der militanten Arbeiter zurück und bewirft sie mit dem Schmutz von Verleumdungen. Sie versucht, das Martyrium Saccos und Vanzettis als einen ,unglücklichen‘ Irrtum darzustellen, der durch das ,richtige‘ Handeln der ,richtigen‘ Leute korrigiert werden kann. Die Zielsetzung dieser Politik ist eine Absolution für die Gerichte von Massachusetts und ,Milde‘ für Sacco und Vanzetti in Form einer Strafumwandlung in Lebenslänglich für ein Verbrechen, dessen sie, wie alle Welt weiß, unschuldig sind.“ („Who Can Save Sacco and Vanzetti?“ [Wer kann Sacco und Vanzetti retten?] Labour Defender, Januar 1927; wieder abgedruckt in Notebook of an Agitator, 1958)

Im Jahre 1988 initiierte das Partisan Defense Committee eine Arbeiter/Schwarzen-Mobilisierung, um Faschisten zu stoppen, die angekündigt hatten, sich in Philadelphia zu versammeln. Es war eine weitreichende Mobilisierung – Arbeiterorganisationen, Schwarzen- und Gemeindeorganisationen. Wir wollten dies auch als eine Gelegenheit benutzen, weitere Unterstützung und öffentliche Aufmerksamkeit für Mumias Fall zu bekommen. Mumia Abu-Jamals Name war der erste auf der Unterstützerliste unseres Mobilisierungsflugblatts. Wir erbaten von Mumia eine auf Band gesprochene Erklärung. Dies war eine der ersten Tonbanderklärungen Mumias aus dem Gefängnis. Er zog den passenden Vergleich zwischen dem Klan in weißen Roben und den Bullen in blauen Uniformen.

Wir hatten vor, im Interesse der Öffentlichkeitsarbeit und Werbung für Mumias Fall, den Gouverneur von Pennsylvania Robert Casey, einen Demokraten, darum zu ersuchen, Mumia für diesen Tag aus dem Gefängnis zu lassen, um eine Ansprache vor dieser antifaschistischen Mobilisierung zu halten. Wir schickten Presseerklärungen darüber an die gesamte Presse. Die Reaktion des Staates zeigte sich, als wir bei unserer Ankunft am Demonstrationsort Scharfschützen auf jedem hohen Gebäude um die Independence Mall vorfanden, wie auch viele, viele Bulleneinheiten in Kampfausrüstung und zu Pferd. Natürlich waren die Kräfte des Staates unserem Vorhaben einer Mobilisierung, um die Faschisten zu stoppen, feindlich gesinnt, doch unsere Verteidigung Mumias trug eindeutig zu ihrer Reaktion bei.

Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass es vor den kapitalistischen Gerichten keine Gerechtigkeit gibt. 1988 waren Paul Cooperstein und ich im Gerichtssaal anwesend, als Mumias erste Berufung vor dem Staatsgerichtshof von Pennsylvania verhandelt wurde. Bevor die Staatsanwältin auch nur damit begann, die Erklärung der Anklage aus dem Schlussplädoyer an die Geschworenen, Mumia würde „eine Berufung nach der anderen“ bekommen, zu rechtfertigen, wurde sie vom vorsitzenden Richter, einem Schwarzen namens Nix unterbrochen. Er verbot ihr auch nur den Versuch, dieses juristische Argument zu benutzen, weil diese Formulierung – eine Berufung nach der anderen – von demselben Staatsanwalt, Joseph McGill, der Mumia angeklagt hatte, vor demselben Richter, Albert Sabo, in einem anderen Mordprozess benutzt worden war, und der Oberste Gerichtshof von Pennsylvania entschieden hatte, dass dies eine verfassungswidrige Verletzung des Rechts eines Angeklagten auf einen ordnungsgemäßen Prozess sei. Einem Präzedenzfall zufolge wurden Mumias Rechte im Prozess verletzt.

Ich verließ den Gerichtssaal mit der Vorstellung, dass angesichts der heftigen Zurechtweisung der Staatsanwältin durch den vorsitzenden Richter in einer Frage, die zu einem neuen Verfahren führen würde, mindestens mit einer Aufhebung von Mumias Todesurteil zu rechnen war. Aber ihr könnt raten, was geschah. Am 6. März 1989 gab der Oberste Gerichtshof von Pennsylvania seine Entscheidung in Mumias Fall bekannt. Es ist eine Entscheidung, die eklatanterweise voller bösartiger Lügen ist. Das Gericht wies jeden einzelnen von Mumias rechtlichen Ansprüchen zurück. Nur vier der sieben Richter des Gerichts hatten Anteil an dieser Entscheidung. Und was den vorsitzenden Richter Nix betrifft – er erklärte sich selbst für befangen; er nahm an der Entscheidung nicht teil. Bis heute wissen wir nicht, weshalb.

Dies war das erste Beispiel eines „Mumia-Gesetzes“ – jene Gesetzes- und Prozessordnungsänderungen, die durch seinen Fall angestoßen werden, die aber zur neuen Rechtslage für alle werden. Mumias Antwort auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von Pennsylvania war typisch für Mumia – sie war nicht persönlich, sondern politisch. Er sagte: „Das Recht ist nur Politik mit anderen Mitteln.“ Er führte als Beispiel den Fall vor dem Obersten US-Gerichtshof an, der vor dem Bürgerkrieg die Sklaverei bestätigte: „Die Geschichte unverhohlener Ungerechtigkeit wiederholt sich im Lauf der Jahrhunderte, und die Erben von Richter Taney, verrufen wegen seines Dred-Scott-Urteils, sitzen immer noch in den Gerichten und bestätigen, dass seine richterliche Feststellung, ,Ein Schwarzer besitzt keine Rechte, die ein Weißer zu respektieren verpflichtet ist‘, bis heute immer noch von Bedeutung ist.“

Ein anderes Beispiel: 1990 lehnte es der Oberste US-Gerichtshof ab, die Frage zu behandeln, ob es rechtmäßig war, Mumias Mitgliedschaft in der Black Panther Party zur Grundlage für Mumias Todesurteil zu machen. Doch der Gerichtshof behandelte sehr wohl das Todesurteil eines Mitglieds der Aryan Brotherhood [Arierbruderschaft], einer faschistischen, rassistischen Gefängnisgang, und hob es aufgrund einer ähnlichen juristischen Beweisführung auf. In jenem Fall hatte der Staatsanwalt den Geschworenen erzählt, dass der Mann ein Mitglied der Aryan Brotherhood war. So entschied der Oberste US-Gerichtshof eigentlich, dass es verfassungswidrig ist – ein Verstoß gegen einen ordnungsgemäßen Prozess und gegen das Koalitionsrecht aus dem First Amendment [Erster Verfassungszusatz] – jemanden dafür zum Tode zu verurteilen, dass er ein Mitglied einer faschistischen Organisation ist, dass es aber absolut in Ordnung war, gegen jemanden die Todesstrafe zu verhängen, weil er ein Mitglied der Black Panther Party war.

Dies sind einige der frühen Beispiele im Gefolge von Mumias rassistischem abgekarteten Prozess. Jede darauffolgende Gerichtsverhandlung war noch ein weiteres groteskes Beispiel für das kapitalistische Unrechtssystem.

PDC-Kampagne zur Rettung Mumias und zur Abschaffung der rassistischen Todesstrafe

Im Jahr 1989 dann hatte das PDC eine weltweite Öffentlichkeits- und Protestkampagne begonnen, um weitreichendere Kräfte mit Mumias Fall bekannt zu machen – Gewerkschaften, nationale und örtliche Abteilungen der Coalition of Black Trade Unionists [Koalition schwarzer Gewerkschafter], Bürgerrechtsorganisationen, Bündnisse gegen die Todesstrafe, andere politische Organisationen, linksgerichtete Organisationen. In einem Zeitraum von ein paar Jahren sammelten wir an die 37 000 Unterschriften auf Petitionen an Gouverneur Casey. Wir benutzten die Petitionen als ein Mittel, um die Unterstützung für Mumia auszuweiten. Ich erinnere mich an die Aufregung, als wir mit unserer Post erstmals Petitionen erhielten, die in Polen unterzeichnet waren, und von den Philippinen und anderswoher auf dem Erdball, wo wir keine Unterstützer vermutet hatten.

Wir arbeiteten mit schwarzen Politikern zusammen, die Mumias Fall wohlwollend gegenüberstanden. Aber wir taten dies, ohne unsere politische Haltung zu ändern – unser Verständnis von der Klassennatur des US-Kapitalismus und seiner systematischen rassistischen Unterdrückung – oder unsere marxistische Kritik an den kapitalistischen Parteien abzuschwächen. Einer der rechtschaffensten dieser Politiker war der verstorbene David Richardson Jr., der ehemalige Vorsitzende des Schwarzenausschusses des Kongresses von Pennsylvania. David Richardson war seinerzeit Zeuge für Mumia in dessen Kautionsverhandlung von ’82 gewesen (wie auch bei Mumias Wiederaufnahmeverhandlung im Sommer 1995) und er übernahm für eine frühe Kundgebung für Mumia zusammen mit dem Partisan Defense Committee 1989 die Schirmherrschaft. Richardson war einer der ersten, die unmissverständlich erklärten, dass Mumia unschuldig ist. Sein Tod kurz nach der PCRA-Anhörung zur Wiederaufnahme des Verfahrens von 1995 war ein großer Verlust.

Zu unseren frühesten Verteidigungsanstrengungen gehörte die Aufklärung über die zahlreichen rechtlichen Fragen in Mumias Fall. Anfang 1989 schrieben und verbreiteten wir ein zehnseitiges Dossier, „The Case of Mumia Abu-Jamal: A Handbook of Constitutional Violations“ [Der Fall Mumia Abu-Jamals: Ein Handbuch der Verfassungsverstöße]. Es war klar, dass jedes verfassungsmäßige Recht eines Angeklagten, darunter das Recht auf einen „fairen Prozess“, in Mumias Fall verletzt wurde. Auf der Grundlage des damals bekannten Beweismaterials kämpften wir gegen die Lügenversion des Staatsanwaltes von Mumias Fall.

Bis zum Sommer 1990 hatten wir Mumias Fall bei anderen weltweit bekannt gemacht. Darunter waren bedeutende Persönlichkeiten wie der Schauspieler Ed Asner, der ehemalige US-Justizminister Ramsey Clark, die Schriftsteller Howard Zinn und Manning Marable, landesweit bekannte Publikationen wie Nation und Black Scholar und Vertreter von Amnesty International in New York, der National Campaign Against the Death Penalty [Nationale Kampagne gegen die Todesstrafe], die NAACP, die Southern Christian Leadership Conference und viele andere.

Aber unsere entscheidenden Mobilisierungsanstrengungen richteten sich an Gewerkschaftsorganisationen. Dem lag die Einsicht zugrunde, dass die Arbeiterklasse für eine klassenkämpferische Verteidigung strategische Bedeutung hat. Dieses Verständnis besteht aus zwei Aspekten: Der eine bezieht sich auf die soziale Macht der Arbeiterklasse – eine soziale Macht, die Produktion, Transport und Kommunikationsmittel zum Erliegen bringen kann. Man mache sich klar, was es bedeutet hätte, wenn die Arbeiter des öffentlichen Nahverkehrs in New York und in Philadelphia bei ihren Streiks nicht nur für ihre Würde als Arbeiter und für bessere Arbeitsbedingungen, sondern auch für die Freiheit für Mumia gekämpft hätten. Die Arbeiter haben die wirkliche Macht, die Gesellschaft zu verändern.

Zum anderen gehen wir in die Arbeiterbewegung wegen unseres Verständnisses, dass die Arbeiterklasse das Bewusstsein entwickeln muss, dass der Kampf für Mumias Freiheit – und der Kampf zur Verteidigung demokratischer Rechte und aller Unterdrückten – auch Teil ihres eigenen Kampfes ist. Eines Kampfes, der es erfordert, sich der auf Klassenzusammenarbeit eingestellten Gewerkschaftsführung zu entledigen, die die Interessen der Arbeiter ausverkauft. Indem sie sich solcher Kämpfe annehmen, kämpfen Arbeiter nicht nur für sich selbst als Arbeiter, die sich mit den jeweiligen Unternehmern messen, sondern für die Gesamtheit der Arbeiterklasse, die die Macht und das Interesse hat, die kapitalistische Herrschaft zu stürzen.

Wir gingen zu den Gewerkschaften im ganzen Land und bekamen von verschiedenen Gewerkschaftsgruppen Unterstützung für Mumias Verteidigung – AFSCME (Arbeiter im öffentlichen Dienst), CWA (Telekommunikationsarbeiter), SEIU (Arbeiter im Dienstleistungssektor), ILA- und ILWU-Hafenarbeiter, die Amalgamated Transit Union (Nahverkehrsarbeiter), die United Auto Workers wie auch Lehrer und andere. Unsere internationalen Schwester-Verteidigungsorganisationen taten dasselbe. Bis zum Herbst 1990 umfasste die Unterstützung für Mumia Hunderttausende von Gewerkschaftern – zum Beispiel den Metro Toronto Labour Council; die CGT, Frankreichs größten Gewerkschaftsbund, der historisch von der Kommunistischen Partei geführt wird; die britische National Union of Railwaymen (Eisenbahnergewerkschaft); die australische Firemen and Deckhands’ Union wie auch nationale Journalistenvereinigungen. Diese Unterstützung bestand aus persönlichen Briefen, Resolutionen, Petitionsunterschriften. Und als der Hinrichtungsbefehl 1995 unterzeichnet wurde, mobilisierten wir und andere Massen zum Protest auf der Straße.

Wir kämpften auch dafür, Mumia als Journalisten bekannt zu machen, der seinen Beruf in der Todeszelle ausübt, ihn nicht namenlos und gesichtslos sein zu lassen und es so schwerer zu machen, ihn hinzurichten. Mumia begann, regelmäßig Kommentare zu schreiben. In erster Linie war es das PDC, das die Kommentare abtippte, kopierte und an die Presse, vor allem die schwarze Presse, im ganzen Land schickte (das war vor den Tagen der allgemeinen Nutzung von E-Mail und Internet) und sich dafür einsetzte, dass man Mumias Kolumnen regelmäßig abdruckte. Wir unterstützten Mumia 1991 bei seinem Artikel über das Leben in der Todeszelle, der im Yale Law Journal erschien, und dabei, die erste nationale Berichterstattung über seinen Fall und Kommentare, die in der Nation erschienen, zu bekommen.

Ein entscheidender Teil unserer Mobilisierung war die Initiierung von Einheitsfrontkundgebungen, zu denen aufgerufen wurde unter den Losungen: „Rettet Mumia Abu-Jamal! Weg mit der rassistischen Todesstrafe!“ Das bedeutete, dass wir uns mit all jenen zusammentaten, die mit den Losungen für die Kundgebung übereinstimmten, unter der Voraussetzung von Freiheit der Kritik, was bedeutete, dass es jeder teilnehmenden Organisation oder Person freigestellt war, politische Differenzen mit dem Programm und den Strategien anderer Organisationen zum Ausdruck zu bringen.

Der erste Teil unserer internationalen Kampagne gipfelte im Juni/Juli 1990 in Einheitsfrontprotesten – Saalkundgebungen oder andere Demonstrationen – in größeren Städten rund um die Welt. (Der 3. Juli ist der Tag, an dem Mumia 1982 zum Tode verurteilt wurde.) In jeder Stadt, in der die Spartacist League existiert, in jedem Land, in dem das PDC Schwesterorganisationen hat, hatten wir eine Einheitsfrontveranstaltung. Wir brachten nicht nur eine breite Palette von Organisationen und Persönlichkeiten zusammen, die die Arbeiterklasse, Bürgerrechts- und Menschenrechtsorganisationen repräsentierten, sondern wir teilten die Rednerbühne auch mit Leuten, die Opfer des Staates geworden waren – ehemalige Insassen der Todeszelle und politische Gefangene. Man kann darüber mehr in Class Struggle Defense Notes Nr. 14, November 1990 und Workers Vanguard Nr. 508, 10. August 1990 lesen.

Unser Videofilm From Death Row, This Is Mumia Abu-Jamal wurde bei diesen Einheitsfrontprotesten zum ersten Mal gezeigt. Er machte Mumias Fall – und das politische Komplott – für eine Generation von Arbeitern, Jugendlichen und politischen Aktivisten lebendig. Damals war Mumia nicht vielen als ehemaliges Mitglied der Black Panther Party bekannt. Als wir das ehemalige BPP-Mitglied Geronimo ji Jaga (Pratt) in einem Prozess gegen Vertreter der Gefängnisverwaltung vertraten, zeigten ihm Valerie West (eine andere PDC-Anwältin) und ich Bilder von Mumia als jungem Panther. Geronimo erkannte ihn als den „kleinen Bruder“, den er in Oakland getroffen und herumgeführt hatte, um ihm die Ghettos dort und in Watts zu zeigen.

Geronimo verbreitete die Kunde unter ehemaligen Panthern, die Mumia Abu-Jamal nicht wiedererkannten oder sich nicht an ihn erinnerten. Als Mumia für die Panther-Zeitung schrieb, unterschrieb er mit „Mumia X“. Doch als Emory Douglas, der berühmte Karikaturist der Panther-Zeitung, im Juli 1990 auf der PDC-Kundgebung in der Bay Area sprach und das Video mit diesen Bildern von Mumia als Jugendlichen sah, brach er in Tränen aus. Douglas sagte, er habe bis zu diesem Zeitpunkt nicht bemerkt, dass Mumia der junge Mann gewesen war, der bei ihm und Judi Douglas, der ehemaligen Herausgeberin der Zeitung, im Sommer 1970 gewohnt habe. So waren unser Video und die Unterstützung ehemaliger Panther wie Geronimo und Emory Douglas, wie auch anderer, dabei behilflich, Mumias Geschichte und die Blutfehde des Staates gegen die Black Panther Party in den Köpfen lebendig zu erhalten.

Klassenkämpferische, nichtsektiererische Verteidigung

Zur selben Zeit, im Sommer 1990, sollte Nelson Mandela – eben erst nach zwei Jahrzehnten Haft in Südafrika freigelassen – eine größere Vortragsreise in die Vereinigten Staaten unternehmen. Das PDC versuchte mit Mandela Kontakt aufzunehmen, in der Hoffnung, er würde eine Erklärung zugunsten Mumias abgeben. Dazu mussten wir die Hilfe jener Gewerkschafter in Anspruch nehmen, die bei der Organisierung von Mandelas Tour halfen. Doch diese Arbeiterbürokraten wollten nicht zugunsten von Mumia intervenieren. Sie wollten Mandela nicht um etwas bitten, was ihrer Meinung nach seine Arbeitsbeziehungen zur US-Regierung erschwerte. Das war ein aufschlussreiches Beispiel für ihre Politik der Klassenzusammenarbeit auf Kosten des Kampfes für die Rechte der Schwarzen, die verbunden ist mit ihrer Weigerung, einen Kampf gegen die Angriffe der Bosse auf die Arbeiterklasse insgesamt zu führen.

Bei der Organisierung unserer Einheitsfrontkundgebungen leisteten wir auf nichtsektiererische Weise bei den ersten Bemühungen zahlreicher anderer Gruppen wie auch von Einzelpersonen, die in die Kampagne für Mumia einbezogen wurden, Hilfestellung: Equal Justice, organisiert vom Quixote Center, einer liberalen katholischen Organisation; AGIPA-Press in Deutschland, die Mumias Fall in ganz Europa bekannt machte; MRAP, eine von der Kommunistischen Partei unterstützte Organisation in Frankreich. Wir halfen anderen bei der Aufklärung über die rechtlichen Fragen von Mumias Fall und dabei, wie man Besuche bei Mumia arrangierte. Zu ihnen gehörte Noelle Hanrahan, die hervorragende Arbeit leistete bei der Aufnahme und dem Vertrieb von Mumias Kommentaren, mittlerweile durch die von ihr gegründete Organisation Prison Radio.

Diese Bemühungen spornten andere an, Mumias Fall aufzugreifen, darunter zahlreiche Gruppen, von denen wir noch nie gehört hatten. Frühe Beispiele sind Reggae-Gruppen in Paris, Mitglieder des Europäischen Parlaments und Wahlkampfkandidaten einer französischen ökologischen Partei und viele verschiedene nationale Journalistenvereinigungen.

Die International Concerned Family and Friends of Mumia Abu-Jamal, initiiert von der MOVE-Familie und unter dem Vorsitz von Pam Africa, begann ihre internationale Kampagne 1991. Bis Anfang 1995 war Mumias Fall unter Jugendlichen, Gewerkschaftern und weiten Teilen der liberalen Intelligenz weltweit bekannt, als Ergebnis der unterschiedlichsten Bemühungen vieler Einzelpersonen und Organisationen.

Unsere Politik der nichtsektiererischen Verteidigung wurde von den meisten liberalen und linken Organisationen, die Mumias Fall aufnahmen, nicht geteilt. Zum Beispiel versuchten wir im Rahmen unserer Versuche, andere und größere Kräfte in die Verteidigung Mumias mit einzubeziehen, das Mumia-Video des PDC herauszugeben und zu verbreiten. Wir waren oft mit der empörenden Situation konfrontiert, von öffentlichen Vorführungen unseres Videos politisch ausgeschlossen zu werden und sogar herauszufinden, dass der Nachspann des Films mit der Kontaktinformation für das PDC herausgeschnitten worden war. Kurze Zeit versuchten wir, beim Verkauf des Videos eine „Absichtserklärung“ beizufügen, die besagte, dass bei der Videovorführung keine Organisation oder Einzelperson politisch ausgeschlossen werden sollte, es sei denn, es wäre eine faschistische Organisation. Ohne Erfolg.

Angesichts dessen wird es niemanden überraschen, zu hören, dass andere Organisationen keine Aktionen auf Einheitsfrontbasis durchführten, bei denen jeder politischen Tendenz Freiheit der Kritik zusteht. Da wir der Meinung waren, dass gemeinsames Handeln eine Diskussion über die Vorgehensweise erfordert, und da wir gegen Illusionen in die Gerichte und bürgerlichen Politiker kämpften, waren wir bei vielen Mumia-Veranstaltungen als Teilnehmer nicht willkommen.

In dieser Zeit stellte das PDC Mumia auch sehr bescheidene rechtliche Hilfe zur Verfügung. Er strengte Pro-se-Prozesse [ohne Rechtsbeistand] über seine Haftbedingungen an, darunter die Tatsache, dass er keine politischen Zeitungen bekam – vor allem Burning Spear und Revolutionary Worker und manchmal Workers Vanguard. Wir halfen ihm, einen Anwalt zu finden, um Klage gegen diese Verletzung des First Amendment einzureichen.

Schon früh halfen wir Mumia auch dabei, eine PCRA-Petition vorzubereiten, welches die Habeas-corpus-Prozedur des Staates Pennsylvania ist, um seine Verurteilung und die bereits vom Obersten Gerichtshof von Pennsylvania getroffene Entscheidung über seine Berufung anzufechten. Ich erhielt Kopien der Prozessmitschrift von 1982 von Mumias Berufungsanwalt vor dem Staatsgericht, und wir erhielten andere Prozessdokumente von MOVE, die Mumias Rechtsdokumente für ihn aufbewahrte. Eigentlich waren diese Rechtsakten in dem MOVE-Haus in der Osage Avenue aufbewahrt worden, wurden aber kurz vor der Bombardierung von 1985 weggebracht. Im Jahre 1991 übernahm Jonathan Piper, ein anderer Rechtsanwalt, der mit dem PDC zusammenarbeitet, die enorme Aufgabe einer Zusammenfassung der Prozessmitschrift und jener Polizeiberichte, die der Verteidigung übergeben worden waren. Ich war damit beschäftigt, für Mumia Anwälte zu bekommen, die seine bevorstehende PCRA-Beschwerde in die Hand nehmen sollten. Piper arbeitete mit Leonard Weinglass zusammen, als dieser Mumia zu vertreten begann, und blieb bei Mumias Verteidigerteam bis zum Juli 1999. Valerie West und andere Unterstützer des PDC und der Spartacist League waren während der gesamten Zeit der PCRA-Verhandlung das Rückgrat des Mitarbeiterstabes des Rechtsanwaltteams. Das PDC half auch bei der Gründung des ersten Komitees, das zum Sammeln von Spenden für Mumias Rechtsverteidigung berechtigt war, das Committee to Save Mumia Abu-Jamal.

Der Klassenfeind macht mobil

Als Reaktion auf die wachsende Unterstützung für Mumia machte die Fraternal Order of Police mobil. Es ist wichtig, zu verstehen, dass der Klassenfeind unnachgiebig ist und ein gutes Gedächtnis hat und die Mittel, seine Interessen zu wahren. Die FOP organisierte eine Gegenkundgebung zu der PDC-Kundgebung für Mumia in Philly am 14. Juli 1990, dem Tag der Bastille. Der Vorsitzende der FOP von Philly, Richard Costello, erklärte, dass alle Unterstützer Mumias zu einer „terroristischen Außenseitergruppe“ gehörten, die man auf eine „elektrische Couch“ setzen solle. So erhoben wir Anklage und gewannen einen Verleumdungsprozess gegen diese Etikettierung als „Terroristen“, die, hätte sie Bestand gehabt, nur unserer Fähigkeit zur Verteidigung Mumias geschadet hätte.

1994 willigte das National Public Radio (NPR) ein, Mumias Kommentare wöchentlich in seiner Sendung „All Things Considered“ [Alles in Betracht gezogen] zu bringen, größtenteils dank der Bemühungen von Noelle Hanrahan. Dies löste eine nationale Gegenkampagne der FOP aus. Vom Rednerpult des Senats der Vereinigten Staaten rief der Republikanerführer Robert Dole dazu auf, die Bundeszuschüsse für das NPR zu kürzen. Dieser Drohung und diesem Druck nachgebend setzte das NPR die Kommentare innerhalb von zwei Tagen ab. Das PDC initiierte zusammen mit dem Committee to Save Mumia eine Protestveranstaltung in Form eines „Speak-Out“, deren Schwerpunkt eine Lesung von Mumias Kommentaren durch verschiedene Persönlichkeiten war, darunter der verstorbene Schauspieler und politische Aktivist Ossie Davis, der zweite Vorsitzende des Committee to Save Mumia.

Anfang 1995 hielten wir, um die Kampagne für die bevorstehende Einreichung der PCRA-Petition beim Staatsgerichtshof aufzubauen, eine weitere Serie von Einheitsfront-Verteidigungskundgebungen ab, in New York, Chicago, der Bay Area und weltweit. Uns war immer klar, dass die Gerichte nur reagieren würden, wenn Druck durch die Massenbewegung, vor allem die Arbeiterbewegung, ausgeübt wird.

Mumias erstes Buch Live from Death Row (… aus der Todeszelle) – eine Auswahl eindringlicher Kommentare über Mumias Leben, über Gefängnis und Todeszelle – war gerade veröffentlicht worden. Die Bourgeoisie ging zum Gegenangriff über mit einer Kampagne gegen den Verlag, der sein Geld vor allem mit der Herausgabe von Schulbüchern verdiente. Der Verleger verlor die Aufträge von Schulen im ganzen Land. Eine Flut von Leitartikeln und Beiträgen gegen Mumia erschien in Zeitungen wie der New York Post, der Washington Post, dem Boston Globe, der Daily News aus Philadelphia, wie auch im Fernsehen, zum Beispiel in Dan Rathers Eye on America, das zum CBS-Fernsehnachrichtenprogramm gehörte.

Als wir die Einreichung der PCRA-Petition vorbereiteten, entdeckten wir, dass Mumias Anwaltspost, insbesondere Briefe von Hauptverteidiger Leonard Weinglass und mir, von der Gouverneurskanzlei und dem Generalstaatsanwalt von Pennsylvania geöffnet und gelesen worden war. Auf diese Weise erfuhr der neugewählte Gouverneur Tom Ridge das Datum, an dem wir vorhatten, die Petition einzureichen. Ridge wurde aufgrund einer Wahlplattform gewählt, die die Zusicherung enthielt, er wolle für Mumias Hinrichtung sorgen. Tom Ridge ist ein alter Freund von George W. Bush und war der erste Chef des Heimatschutzministeriums nach dem 11. September.

Die FOP hat in ihren Angriffen auf Mumia und seine Unterstützer niemals nachgelassen, wobei sie sich Einschüchterungstaktiken gegen Einzelpersonen wie auch gegen Künstler, die sich für Mumia eingesetzt haben, bedient. Dass es innerhalb der organisierten Arbeiterbewegung Polizei- und Gefängniswärter„gewerkschaften“ gibt, hat so manche gewerkschaftliche Erklärung oder Aktion zur Verteidigung Mumias verhindert. Polizei und Gefängniswärter haben in der Gewerkschaftsbewegung nichts zu suchen.

Mumias Familie bekam das meiste von der staatlichen Schikane ab. Jamal Hart, Mumias älterer Sohn, wurde wegen erfundener Anschuldigungen des Schusswaffenbesitzes 1996 verhaftet und zu 15 Jahren Haft ohne Bewährung in einem Bundesgefängnis verurteilt für das „Verbrechen“, Sprecher seines Vaters gewesen zu sein.

Der erste Hinrichtungsbefehl wird unterzeichnet

Unmittelbar bevor wir die PCRA-Petition eingereicht hatten, unterzeichnete Ridge einen Hinrichtungsbefehl für Mumia, der am Morgen des 2. Juni zugestellt wurde, während Mumia in der Gefängnisbibliothek arbeitete. Mumia wurde sofort aus der „einfachen“ Todeszelle in einen anderen Teil des Gefängnisses verlegt, wo er unter 24-stündiger Beobachtung bei Dauerbeleuchtung stand mit Besuchseinschränkungen, außer für Anwälte. Mumias Hinrichtung war für den 17. August 1995 festgesetzt. Gleichzeitig war der erste Gerichtstermin, den wir bekommen hatten, erst Mitte Juli – ungefähr einen Monat vor dem Hinrichtungstermin! Dies stellte das ganze Gerichtsverfahren unter die Drohung eines unmittelbar bevorstehenden Hinrichtungsdatums. An der gerichtlichen Front mussten wir eine Aussetzung der Hinrichtung fordern, nur um mit Mumias Berufung gegen seine Verurteilung weitermachen zu können.

Die Unterzeichnung des Hinrichtungsbefehls wurde sofort mit Protestwellen in wenigstens 40 Städten der USA und international beantwortet, die Zehntausende Menschen auf die Straßen brachten. Zum Beispiel griff in Rom eine Demonstration von etwa 70 000 Arbeitern gegen Kahlschlagpolitik die Forderung zur Rettung Mumias auf.

Um der massiven Kampagne von Lügen und Angriffen von Seiten des Bezirksstaatsanwaltes von Philadelphia und der FOP entgegenzutreten, gab das PDC eine Broschüre mit dem Titel The Frame-Up of Mumia Abu-Jamal [Das Komplott gegen Mumia Abu-Jamal] heraus. Wir forderten: „Freiheit für Mumia Abu-Jamal!“ Die Broschüre war eine Widerlegung der Lügen, auf denen die „drei Säulen“ von Mumias Verurteilung fußten, indem sie das erfundene Geständnis, die falschen „Augenzeugen“ und die nichtexistenten ballistischen Beweise entlarvte. Die Broschüre antwortete auch auf die Angriffe gegen die Schauspieler Ed Asner und Mike Farrell, die damals an der Spitze derjenigen Liberalen standen, die Mumia verteidigten. Und wir entlarvten die völlige Unwahrheit der Behauptung von Maureen Faulkner, Daniel Faulkners Witwe, dass Mumia vor Gericht höhnisch gelächelt und Schadenfreude empfunden habe, als den Geschworenen Faulkners blutiges Hemd gezeigt wurde – eine Verleumdung, die darauf abzielte, Mumia als kaltherzigen Killer darzustellen. Mumia war an diesem Tag nicht einmal im Gerichtssaal gewesen, einer der zahlreichen Tage, an denen er bei seinem eigenen Prozess aus dem Gerichtssaal ausgeschlossen wurde.

„Richter Tod“ Albert Sabo wurde aus dem Ruhestand zurückgeholt, um bei der PCRA-Anhörung den Vorsitz zu führen. Er lehnte es ab, eine Aussetzung der Hinrichtung zu bewilligen, und lehnte es gleichzeitig ab, der Verteidigung Zeit zu gewähren, die gegenwärtige Verhandlung vorzubereiten. In juristischen Begriffen verlangen die Gerichte zur Bewilligung einer Aussetzung, welches eine richterliche Verfügung ist, den Nachweis eines „irreparablen Schadens“ für den Fall einer Ablehnung der Aussetzung. Die Position der Staatsanwaltschaft – der Sabo zustimmte – war, dass eine Hinrichtung keinen „irreparablen Schaden“ für Mumia darstelle! Der Staatsanwalt argumentierte auch: „Die Todesstrafe ... ist die höchste Autoritätsausübung des Staates und sollte nicht leichtfertig unterbrochen werden.“

Von Anfang an forderte das Anwaltsteam, Richter Sabo solle sich für befangen erklären – sich selbst aus dem Fall zurückziehen – wegen seiner offensichtlichen Voreingenommenheit, die während Mumias Prozess von 1982 vielfach zum Ausdruck gekommen war. Sabo weigerte sich. Während der Verhandlung und über die Jahre erörterten Mumia und ich unsere „Lieblings“aussprüche von Sabo. Ich will euch zwei nennen. Der erste ist eine Antwort auf eine Beschwerde über eine seiner zu Hunderten gefällten empörenden Entscheidungen: „Counselor [Anrede für den Anwalt], Gerechtigkeit ist nur eine gefühlsmäßige Empfindung.“ Ein anderer war Sabos vorbehaltlose Übereinstimmung mit dem Staatsanwalt gegen die Einsprüche der Verteidigung durch die Äußerung: „Einspruch abgelehnt, was immer es war“.

Sabos Gerichtssaal war ein bewaffnetes Polizeilager und ich meine das wörtlich. Mumias Unterstützer saßen auf der einen Seite und Bullen aus Philly, bewaffnet, obwohl nicht im Dienst, saßen auf der anderen Seite. Ich hatte das nicht bemerkt bis eines Tages beim Einlass der Leute in den Gerichtssaal von Seiten dieser Bullen eine Provokation gegen ein Mitglied aus Mumias Familie stattfand. So stellte ich einen Antrag bei Richter Sabo, anzuordnen, dass die Bullen außer Dienst vor dem Betreten des Gerichtssaales ihre Waffen ablegen. Es erübrigt sich zu sagen, dass Sabo diesen Antrag ablehnte.

Sabo hinderte Mumia daran, Beweise zu bekommen, die unsere Berufungsbeschwerden gegen das abgekartete Urteil stützten. Sabo lehnte unsere Anträge an verschiedene staatliche Behörden, Akten an die Verteidigung herauszugeben und Einzelpersonen, darunter Bullen und ehemalige Bullen, zur Befragung bei der Beweisaufnahme vorzuladen, ab und kassierte sie. Sabo weigerte sich, Informationen, die wir bereits besaßen, in das Gerichtsprotokoll aufnehmen zu lassen, darunter COINTELPRO-Akten des FBI, die zeigten, dass das FBI und die Polizei von Philly es auf Mumia abgesehen hatten.

Einer der rechtlichen Beschwerdepunkte war die Rassendiskriminierung bei der Anwendung der Todesstrafe im Bezirk Philadelphia. Um unsere Behauptung zu beweisen, brauchten wir Informationen, die unter der alleinigen Kontrolle des Gerichtssekretärs waren. Jedoch wurde unsere Anforderung dieser Akten von Sabo abgelehnt, in der Form einer Anordnung, in der behauptet wird, dass seine Entscheidung „nach der Anhörung der Argumente aller Rechtsanwälte“ getroffen worden sei. Doch wir hatten nicht einmal die Gelegenheit gehabt, irgendein rechtliches Argument vorzubringen. Mein Einspruch gegen diese völlig wahrheitswidrige Beschreibung und gegen die zutiefst empörende Entscheidung, die Mumia des Beweismaterials beraubte, das von Rassenvorurteilen durchdrungene Todesurteil anzufechten, begann mit einer einfachen Anrede: „Herr Richter, Euer Ehren ...“ Sabo wollte keinerlei Argument zulassen. So ließ er mich in Handschellen festnehmen, aus dem Gerichtssaal entfernen und ins Gefängnis stecken. Etwa eine Woche später befand Sabo, dass Leonard Weinglass sich einer Missachtung des Gerichtes schuldig gemacht habe, und belegte ihn mit einer Geldstrafe von 1000 Dollar, weil er ihm nicht schnell genug irgendetwas Verlangtes ausgehändigt hatte.

Trotz dieser Beschränkungen durch Sabo und zusätzlicher Probleme, die von Mumias Hauptverteidiger ausgingen, auf die ich in einer eidesstattlichen Erklärung, vorgelegt 2001 beim Staats- und beim Bundesgerichtshof [siehe Seite 30], umfassend eingehe, konnten wir doch aus dieser Anhörung zusätzliches Beweismaterial für das Komplott ziehen. Darüber etwas später.

Die Beweisaufnahme dauerte über drei Wochen an, und der Hinrichtungsbefehl hing drohend über Mumias Haupt. Es gab täglich Demonstrationen, deren Sprechchöre im Gerichtssaal zu hören waren. Die Verhandlung wurde von allen möglichen bedeutenden Persönlichkeiten und Veteranen der Bürgerrechtsbewegung besucht, die der fast einhelligen Meinung waren, dass Sabos Gerichtssaal einem Gerichtssaal der 60er-Jahre in den Südstaaten in nichts nachstand oder sogar schlimmer war.

Sabos Entscheidungen waren so offensichtlich voreingenommen und empörend, dass sein allgemeines Benehmen im Gerichtssaal in vielen Leitartikeln der bürgerlichen Presse und von prominenten Persönlichkeiten kritisiert wurde, darunter Senatorin Arlen Spector, die damals wie heute die älteste US-Senatorin Pennsylvanias ist. Dies geschah nicht aus irgendwelchen Sympathien für Mumia oder in Anerkennung der Tatsache, dass er das Opfer eines staatlichen Komplotts war. Vielmehr zog Sabo das demokratische Erscheinungsbild des Gerichts in den Schmutz. Von einem Richter wird erwartet, dass er auftritt, als sei er unparteiisch. Doch Sabos Voreingenommenheit gegenüber Mumia war einfach zu ungeheuerlich. Die Frage richterlicher Voreingenommenheit bei dieser Anhörung ist der dritte Punkt, den Mumia bei der gegenwärtigen Berufung vorbringen kann. Sollte das Bundesberufungsgericht entscheiden, dass bei Mumias PCRA-Anhörung Voreingenommenheit eine Rolle gespielt hat, würde das gesamte Berufungsverfahren von Neuem beginnen, und Mumia könnte das Beweismaterial für das Komplott gegen ihn und für seine Unschuld in einer neuen Anhörung vorbringen.

Zur Zeit der PCRA-Anhörung teilten wir uns die Schlagzeilen der Nachrichten mit den Enthüllungen über Polizeikomplotte im 39. Bezirk Philadelphias. Hunderte von Anklagen wegen Drogenbesitzes und andere Fälle mussten annulliert werden, weil es so offensichtlich war, dass die Bullen bei Durchsuchungsbefehlen dreist gelogen und Leuten auf andere Art etwas angehängt hatten.

Wie ich erwähnte, gab es bei Unterzeichnung des Hinrichtungsbefehls eine riesige Mobilisierung für Mumia, und damals waren natürlich Gewerkschaften rund um die Welt, die wohl Millionen von Arbeitern repräsentierten, mit an Bord. Eine Sache, die wirklich aufregend war, war die gewaltige Unterstützung, die wir aus Südafrika bekamen. Gene Herson, der Gewerkschaftskoordinator des PDC, und Don Alexander von der Labor Black League for Social Defense [Bund von Arbeitern/Schwarzen für soziale Verteidigung] waren damals in Südafrika. Die dortige Arbeit brachte Unterstützung für Mumia von der Metallarbeitergewerkschaft (NUMSA), der Commercial Catering and Allied Workers Union (SACCAWU), dem Congress of South African Trade Unions (COSATU), dem National Council of Trade Unions (NACTU) und der Media Workers Association. Kurz nach Herausgabe des Hinrichtungsbefehls erklärten der Nationalsekretär des African National Congress und schließlich Nelson Mandela ihre Unterstützung für die Verteidigung Mumias. Dies war wirklich wichtig und aufregend.

Anfang August, als Mumias Hinrichtungstermin nur noch Tage entfernt war, veranstalteten das PDC und seine internationalen Schwesterorganisationen Einheitsfrontdemonstrationen in größeren Städten und forderten: „Mumia Abu-Jamal darf nicht sterben!“ Die Proteste brachten wichtige Gewerkschaften auf die Straße, die gelobten, den Kampf für Mumia fortzusetzen. Zum Beispiel demonstrierten in New York City und Oakland, Kalifornien, Kontingente der Gewerkschaftsgruppen der SSEU Social Services [Sozialdienste], des AFSCME-Bezirksausschusses 37 [Öffentlicher Dienst], der Ortsgruppe 1199 der Gesundheits- und Krankenhausarbeiter, der Teamster [LKW-Fahrer] und der ILWU [Hafenarbeiter] zusammen mit Sprechern der zentralen Gewerkschaftsausschüsse von Alameda County und San Francisco.

Am 7. August gab Sabo schließlich in der Frage des Hinrichtungsbefehls nach. Die internationale Unterstützung war absolut entscheidend für die Aussetzung von Mumias Hinrichtungsbefehl. Mumia gab eine Erklärung heraus, die eine Botschaft an alle seine Unterstützer war. Er sagte, Sabos Entscheidung sei der Versuch, „einer wachsenden und militanten Bewegung gegen die Todesstrafe ... die Schärfe zu nehmen... Lasst uns diese kostbare Zeit nutzen, um eine stärkere und breitere Bewegung aufzubauen, die nicht nur eine Hinrichtung ,aufschiebt‘, sondern sie alle stoppt!“

Reformistische Illusionen in die kapitalistischen Gerichte

Viele, wenn nicht die meisten linken Organisationen wurden zu Mumias Verteidigung erst ab Frühjahr 1995 aktiv, d. h. nachdem sein Kampf bereits massive internationale Unterstützung gewonnen hatte. Und als sie ihre Kampagnen für Mumia begannen, taten sie dies in bewusster und vorsätzlicher Gegenposition zu unserer Forderung nach „Freiheit für Mumia Abu-Jamal“. Als immer mehr Beweise für das Komplott und für Mumias Unschuld herauskamen, mobilisierten sie um die Forderung nach einem „neuen Prozess“, was die Verkörperung ihres Programms von der Reformierbarkeit der Gerichte war und die Schlussfolgerung beinhaltete, dass Mumias Unschuld in Frage stünde oder nicht eindeutig sei.

Die 25 Jahre gerichtlicher Verfahren gegen Mumia vor den Staats- und Bundesgerichten, unterstützt von der konzertierten, von der FOP geführten Propagandakampagne gegen ihn, haben immer wieder gezeigt, dass es keine Möglichkeit gibt, sich vor der zentralen Wahrheit zu drücken, dass Mumia einer Staatmaschinerie direkt gegenübersteht, die sich einig ist in ihrer Entschlossenheit, ihn zu töten. Es gibt keinen Raum für Illusionen in die Neutralität oder die Gerechtigkeit der Gerichte. Solche Illusionen sind ein Hindernis für die Führung eines siegreichen Kampfes um Mumias Freiheit. Sie dienten dazu, Mumias Verteidigungsbewegung zu demobilisieren, und sie dienten auch den Bemühungen jener opportunistischen „Linken“, die versuchten, diejenigen von uns zu unterdrücken, die die Notwendigkeit einer klassenkämpferischen Verteidigung begreifen.

Hier ein paar frühe Beispiele. Die International Socialist Organisation (ISO [bis 2001 verbunden mit Linksruck]) schwieg über Mumias Fall bis Anfang Juni 1995. Als sie schließlich mit einer Unterstützungserklärung für Mumia herauskam, stellte die Spartacist League die ISO in einem Flugblatt zur Rede und bemerkte, wie lange diese doch gebraucht habe, an Bord zu kommen, und stellte fest, dass deren Unterstützung für Mumia ein Widerspruch zu der Position der ISO sei, man könne Bullen für die Seite der Arbeiterklasse gewinnen. Dies führte dazu, dass die ISO SL-Genossen bei dem Versuch, das Flugblatt zu verteilen, angriff. Die ISO beschuldigte daraufhin die SL, angegriffen zu haben. Was die rassistische legale Lynchjustiz angeht, so argumentierten die ISO und ihre „Campaign to End the Death Penalty“ [Kampagne zur Beendigung der Todesstrafe], dass man deshalb gegen die Todesstrafe sein solle, weil sie „kostspieliger“ sei, und sie befürworteten Lebenslänglich ohne Bewährung als wirtschaftlicher.

Zwei Wochen nachdem Gouverneur Ridge einen Hinrichtungsbefehl unterzeichnet hatte, brachte das Wall Street Journal (16. Juni 1995) – das Sprachrohr des US-Finanzkapitals – einen Artikel, der alle Organisationen, die Mumia verteidigten, verleumdete. Der meiste Platz war dabei für das PDC und die SL reserviert, und darin bekam das Wall Street Journal Hilfestellung durch die Bolshevik Tendency (BT), denn es griff die Verleumdung der BT auf, die Spartacist League sei ein verrückter „Kult“ um den nationalen SL-Vorsitzenden James Robertson. Die BT ist eine Organisation, die nicht nur kein einziges Wort des Protests gegen die Bombardierung von MOVE zehn Jahre zuvor herausgebracht hatte, sondern auch die SL diffamiert hat, da die SL MOVE-Unterstützer eingeladen hatte, auf einer Gedenkveranstaltung nach dem MOVE-Massaker vom Mai 1985 zu sprechen. Zum Zeitpunkt des Erscheinens des Wall-Street-Journal-Artikels hatte die BT keinen einzigen Artikel zur Verteidigung Mumias geschrieben. Angesichts der Bedeutung des PDC und der SL bei der Verteidigung Mumias konnte die „Kult“-Verleumdung nur dazu gedacht gewesen sein, die Verteidigung Mumias zu untergraben.

Refuse & Resist von der RCP rief zwar manchmal zu „Freiheit für Mumia“ auf, aber das stand für sie in keiner Weise im Widerspruch zu der Losung für einen „neuen Prozess“, die sie ebenfalls benutzten. Ihre Politik des Schürens von Illusionen in den Staat zeigte sich, als Refuse & Resist in jenem Sommer vorschlug, mit den Bullen in Philadelphia zu diskutieren.

Die Workers World Party und ihre Gruppe National People’s Campaign organisierte am 12. August 1995, während die PCRA-Anhörung noch im Gange war, kurz nach Aufhebung des Hinrichtungsbefehls eine landesweite Demonstration in Philadelphia. Die Mobilisierung basierte auf der Forderung nach einem neuen Prozess. Das war maßgeschneidert für den Geschmack der Liberalen. Sie versuchten die Marxisten von der Spartacist League und vom PDC zum Schweigen zu bringen, die Freiheit für Mumia forderten. Ich war gebeten worden, auf der Kundgebung für das Verteidigungsteam zu sprechen, doch sie schalteten mir das Mikrofon ab. In letzter Minute wurde dem PDC-Vertreter verboten zu sprechen. Und sie versuchten unser Gewerkschaftskontingent, das „Freiheit für Mumia – keine Illusionen in die kapitalistischen Gerichte“ forderte, auf der dortigen großen Demonstration von etwa 8000 Leuten physisch einzuschüchtern.

Workers World zeigte auch Geringschätzung gegenüber den Überlebenden des MOVE-Massakers von 1985, die sie damals nicht verteidigt hatten. Auf der Kundgebung sprach Pam Africa für die International Concerned Family and Friends, Mumias Organisation, doch Ramona Africa wurde von Workers World nicht erlaubt, für MOVE zu sprechen.

Ungefähr einen Monat nach Beendigung der PCRA-Anhörung von 1995 fand Farrakhans Million Man March statt. Dies war der Sache überhaupt nicht förderlich. Für Farrakhan gab es pauschale Unterstützung durch den größten Teil der Linken, für diesen pro-kapitalistischen schwarzen Separatisten, der den Schwarzen die Schuld für die rassistische Unterdrückung zuschob, indem er forderte, sie sollten für ihre Sünden „Buße tun“. Dies machte den Kampf, andere für die Notwendigkeit einer Einheitsfrontverteidigung auf klassenkämpferischer Grundlage zu gewinnen, viel schwieriger.

Socialist Action (SA) hatte bis zu den PCRA-Anhörungen von 1995 wenig über Mumias Fall zu sagen. Im August 1997 hielten sie eine Kundgebung mit Geronimo ji Jaga (Pratt) ab, der kurz zuvor freigelassen worden war, nach 27 Jahren Haft aufgrund eines COINTELPRO-Komplotts des FBI. Ihre Forderungen „Freiheit für Mumia Abu-Jamal!“ und „Abschaffung der Todesstrafe!“ waren bezeichnenderweise mit der Forderung „Stoppt die Polizeibrutalität!“ verknüpft. Dies ist irreführend. Die Polizei wird mit ihren brutalen Angriffen auf Schwarze, Arbeiter und Unterdrückte nicht aufhören, ehe nicht der kapitalistische Staat zerschlagen ist. Die Forderung von Socialist Action, wie auch die Forderung nach „Kontrolle der Polizei durch die Gemeinschaft“ dient nur dazu, Illusionen in die Reformierbarkeit des kapitalistischen Staates zu verbreiten. Auf ähnliche Weise war es die politische Absicht der noch im gleichen Jahr von SA initiierten „Mobilisation to Free Mumia Abu-Jamal“, an bürgerliche Liberale zu appellieren. SA versuchte deshalb diejenigen, die für eine klassenkämpferische Verteidigung eintraten, zum Schweigen zu bringen und auszuschließen.

In den nächsten Jahren machte ich trotz Widerstandes von Mumias Hauptverteidiger Leonard Weinglass und seines Assistenten Daniel Williams weiter, um die Ermittlungen nach zusätzlichen Beweisen für das staatliche Komplott und Mumias Unschuld voranzutreiben. Und tatsächlich gab es aufgrund neu entdeckten Materials zwei zusätzliche Beweisaufnahmen im Rahmen der PCRA-Verhandlungen und zwei weitere Anfechtungsklagen, die zwischen 1995 und 1998 eingereicht wurden. Doch am 29. Oktober 1998 lehnte der Oberste Gerichtshof von Pennsylvania Mumias PCRA im Ganzen ab, und während des nächsten Jahres verweigerte der Oberste US-Gerichtshof jegliche Revision. Dies bedeutete, dass Mumia in der Gefahr schwebte, dass ein neuer Hinrichtungsbefehl ausgestellt würde. Der nächste rechtliche Schritt war das Vorbereiten der Einreichung von Mumias Habeas-corpus-Petition beim US-Bundesgerichtshof. Dies erhöhte die Dringlichkeit, die laufenden Ermittlungen der Verteidigung fortzuführen, und es gab hitzige Debatten innerhalb von Mumias Verteidigungsteam darüber, ob und wie man das Beweismaterial für Mumias Unschuld und das staatliche Komplott vor dem Bundesgerichtshof präsentieren sollte.

Arnold Beverly gesteht

Die brisanteste Angelegenheit war, dass ich im Frühjahr 1999 einen Mann namens Arnold Beverly, den ich erstmals 1989 getroffen hatte, ausfindig machte und befragte. Er gestand, dass er und nicht Mumia Daniel Faulkner erschossen hatte. Und Beverly machte eine beeidete Aussage, die besagt:

„Mir ist durch persönliches Wissen bekannt, dass Mumia Abu-Jamal den Polizeibeamten Faulkner nicht erschossen hat.

Ich wurde zusammen mit einem anderen Typen angeheuert und bezahlt, Faulkner zu erschießen. Ich hatte gehört, Faulkner sei ein Problem für den Mob [Mafia] und korrupte Polizisten, weil er störte bei den Schmier- und Bestechungsgeldern, mit denen erkauft wurde, dass illegale Aktivitäten wie Prostitution, Glücksspiel und Drogen im Stadtzentrum nicht strafrechtlich verfolgt wurden.

Faulkner wurde in den Rücken und dann ins Gesicht geschossen, bevor Jamal am Tatort eintraf. Jamal hatte mit der Schießerei nichts zu tun.“

Arnold Beverly sagte außerdem, dass es einen zweiten gedungenen Killer gegeben habe, der ebenfalls vom Tatort geflohen sei. Dies wird gestützt durch eine eidesstattliche Erklärung von Mumias Bruder Billy Cook, die besagt, dass in jener Nacht sein Freund Kenneth Freeman an der Ecke 13th und Locust Street als Beifahrer in Cooks VW gesessen habe. Freeman gab später gegenüber Cook zu, in den Plan zur Ermordung Faulkners verwickelt gewesen zu sein, an der Schießerei teilgenommen zu haben und dann vom Tatort geflohen zu sein.

Das Beverly-Beweismaterial umfasst viel mehr als Beverlys Geständnis oder die beiden Lügendetektortests, die Beverly bestand. Es ist eigentlich die Gesamtheit der zuvor widersprüchlichen Zeugenaussagen und Beweisstücke, einschließlich der ballistischen Untersuchungsergebnisse, die Beverlys Version von den Geschehnissen am 9. Dezember 1981 unterstützt, und es ist der Nachweis von Mumias Unschuld und eines staatlichen Komplotts.

Mindestens fünf weitere Zeugen, die in der Nacht der Schießerei am Tatort waren, sahen aus mehreren unterschiedlichen Blickwinkeln einen oder mehrere schwarze Männer fliehen und gaben diese Information der Polizei. Durchsagen im Polizeifunk unmittelbar nach der Schießerei berichteten, dass die Schützen mit Faulkners Schusswaffe vom Tatort geflohen seien. Selbst nach Aussage der Polizeiberichte saß Mumia am Bürgersteig und blutete stark aus seiner Wunde im Brustkorb und medizinisch war er nicht in der Lage irgendwohin zu laufen.

Der Zeuge William Singletary sagte in seiner Zeugenaussage bei der Anhörung von 1995, dass Mumia nicht der Mörder gewesen sei. Singletary besaß eine Autowerkstatt mit Abschleppdienst und unterhielt freundschaftliche Arbeitsbeziehungen zu Polizisten. Er bezeugte, dass ein Mann aus Billy Cooks Wagen gestiegen sei, der eine grüne Armeejacke getragen habe, und auf den Bullen geschossen habe und weggerannt sei und dass Mumia zum Tatort gekommen sei, nachdem Faulkner bereits erschossen war. Singletary sagte ferner aus, dass sich die Hauptbelastungszeugin der Anklage Cynthia White nicht am Tatort befunden habe, sondern in Wirklichkeit erst nach der Schießerei zu ihm gekommen sei und gefragt habe, was geschehen sei. Die Bullen bedrohten Singletary und warnten ihn, dass er sein Geschäft verlieren würde, sollte er in der Stadt bleiben und in dieser Sache aussagen. Tatsächlich verließ er Philadelphia während des Prozesses. Bei der PCRA-Anhörung von ’95 arbeitete Weinglass daran, seinen eigenen Zeugen unglaubwürdig zu machen, indem er dem Gericht und dem Bezirksstaatsanwalt erklärte, dass Singletarys Augenzeugenbericht, dass Mumia Faulkner nicht erschossen habe, „ungenau“ sei. Die Anklage benutzte dies in ihrer Beweisführung, als sie sagte: „Die PCRA-Zeugenaussage von William Singletary war unglaubwürdig – genau wie der Verteidiger vorhergesagt hatte, bevor er ihn als Zeugen aufrief.“

Ein anderer Zeuge, Dessie Hightower, sagte bei dem ursprünglichen Prozess und dann wieder bei der Anhörung von ’95 aus, dass der Schütze weggelaufen sei. Der Staatsanwalt versuchte auf Hightower Druck auszuüben, damit er seine Aussage ändere. Hightower war der einzige Zeuge, der vom Staatsanwalt einem Lügendetektortest unterzogen wurde. Einem derartigen Druck wurden die Prostituierten oder die anderen Zeugen der Anklage nicht ausgesetzt. Hightower hatte den Mut, beim Prozess dabei zu bleiben, dass er jemanden vom Tatort weglaufen sah.

Im Oktober 1996 fand eine zusätzliche PCRA-Anhörung aufgrund der Zeugenaussage von Veronica Jones statt, die zugab, dass sie von der Polizei bedroht und gezwungen worden war, beim Prozess von 1982 zu lügen, als sie die Frage verneint hatte, ob sie jemanden vom Tatort habe fliehen sehen. Noch im Zeugenstand während der Anhörung von 1996 ließ sie der Staatsanwalt aufgrund eines Jahre alten Haftbefehls wegen geringfügigen Diebstahls verhaften.

Wir erfuhren bei der Anhörung von ’95 auch, dass Faulkner mit dem Führerschein eines anderen in der Hand aufgefunden worden war. Nun, dies ist ein stichhaltiger Beweis, dass sich außer Mumia und seinem Bruder noch jemand am Tatort befunden hat. Davon wurde die Verteidigung während des Prozesses von 1982 nie in Kenntnis gesetzt.

Der Schütze trug eine grüne Armeejacke

Beverlys Beschreibung zweier Schützen wird von fünf Leuten gestützt, darunter zwei Polizisten, die jemanden am Tatort beschrieben haben, ihrer Meinung nach den Schützen, der eine grüne Armeejacke getragen habe. Doch das konnte nicht Mumia gewesen sein. Mumia trug einen roten wattierten Skianorak mit blauen breiten vertikalen Streifen darauf. Sowohl Beverly als auch Freeman trugen in dieser Nacht grüne Armeejacken. Insbesondere Singletary sagte, der Schütze habe eine grüne Armeejacke getragen, nicht aber Mumia. Die Polizisten Stephen Trombetta und James Forbes (Forbes war Berichten zufolge der erste Cop am Tatort) bezeugten, dass Mumia eine grüne Armeejacke getragen habe. Michael Scanlan beschrieb die Person, die anfänglich von Faulkner angehalten worden war, als mit einem grünen Armeemantel bekleidet. Ein anderer Zeuge der Anklage, Albert Magilton, erzählte einem unserer Ermittler, dass die Person, die er vom Parkplatz davonrennen sah, eine grüne Armeejacke getragen habe. In einer Aussage vor der Polizei am Morgen nach der Schießerei beschrieb Robert Pigford, der nie vor Gericht aussagte, den Mann, der über Faulkner gestanden habe, als 1,68 m groß und 66 kg schwer und mit einer grünen Armeejacke bekleidet. Mumia ist 1,83 m groß.

Die Tatsache, dass so viele Leute jemanden am Tatort gesehen haben, der eine grüne Armeejacke anhatte, bedeutet, dass zumindest eine weitere Person außer Mumia und seinem Bruder Billy dort gewesen ist. Dies allein widerspricht schon völlig dem Szenario der Staatsanwaltschaft. Billy Cook trug eine blaue Jacke nach Nehru-Art mit Messingknöpfen. Ich weiß das, denn ich habe seine und Mumias Jacke gesehen. Es gibt keine grüne Armeejacke unter den Beweisstücken.

Selbst unter den Bedingungen von Drohungen und Vergünstigungen durch Polizei und Staatsanwaltschaft sagte kein Zeuge aus, er hätte wirklich gesehen, wie Mumia Faulkner erschossen habe, und nur Cynthia White sagte aus, sie glaube in Mumias Hand eine Schusswaffe gesehen zu haben, als er zum Tatort gelaufen sei. Doch wie ihr euch erinnert, sagte Singletary, dass Cynthia zu diesem Zeitpunkt nicht einmal dort war. Dessie Hightower sagte ebenfalls, dass sie zu dem Zeitpunkt nicht da war. Und andere Prostituierte, Veronica Jones und Pamela Jenkins, haben geschworen, dass Cynthia White zugegeben hat, wegen Polizeidrohungen gelogen zu haben. Inzwischen hat Yvette Williams, die mit Cynthia White im Gefängnis saß, dies ebenfalls bezeugt.

Anatomie eines Komplotts

Was hat das Beverly-Beweismaterial zu bedeuten? Das Beverly-Beweismaterial demonstriert die Einigkeit von Bullen, Anklage und Gerichten in ihrer Zielsetzung, die Interessen der kapitalistischen Herrscher zu wahren. Es macht klar, dass das Unrecht gegenüber Mumia nicht die Tat eines einzelnen schurkischen Bullen oder Staatsanwaltes oder Richters war, sondern das Funktionieren des kapitalistischen Unrechtssystems an sich.

Um zu verstehen, wie es zu dem Komplott kam, ist es entscheidend, Beverlys Behauptung nachzugehen, dass Faulkners Tötung ein geplanter Auftragsmord war. Die Schiesserei Mumia anzuhängen, der der Polizei gut bekannt war und von ihr gehasst wurde, war die unausweichliche Folge von Mumias Erscheinen am Tatort. Zum Zeitpunkt von Faulkners Ermordung 1981 liefen wenigstens drei Ermittlungsverfahren des Bundes wegen Polizeikorruption, darunter auch gegen Verbindungen der Polizei zum Mob [Mafia]. FBI-Informanten waren Anfang der 80er-Jahre Opfer von Auftragsmorden. Ein ehemaliger Bundesstaatsanwalt bestätigte, dass das FBI einen Informanten bei der Polizei hatte, dessen Bruder ebenfalls Polizist war. Tatsächlich hatte Faulkner einen Bruder, der Polizist war. Doch das Büro des US-Staatsanwaltes und das FBI lehnten es ab, irgendwelche Beweisdokumente oder offizielle Informationen zur Verfügung zu stellen.

Am Abend seiner Ermordung benutzte Faulkner eine Fotokamera, ein bekanntermaßen teures Modell, das vom FBI benutzt wurde. Sie war nach der Schießerei im Besitz der Polizei. Die Kamera und ihr Film sind verschwunden. Faulkner fuhr diese Nacht ohne Partner Streife und ohne seine kugelsichere Weste, beides ungewöhnlich für ihn.

Donald Hersing, ein FBI-Informant, der Bordelle im Rotlichtbezirk unter dem Schutz der Polizei von Philly betrieb, bestätigt, dass zum Zeitpunkt von Faulkners Erschießung das Gerücht umging, das FBI habe einen Informanten bei der Polizei. Gegen John DeBenedetto, leitender Beamter der Central Police Division, die für den Stadtteil Center City zuständig ist, wo die Schießerei stattfand, gegen James Carlini, den Chef der Mordkommission und gegen Inspector Alfonzo Giordano liefen zum Zeitpunkt, als Faulkner ermordet wurde, Ermittlungen aufgrund von Korruptionsvorwürfen des Bundes. Diese Bullen bilden die Befehlskette im Komplott gegen Mumia.

Giordano war der ranghöchste Beamte am Tatort, als Faulkner ermordet wurde. Er war nicht nur einer der Bullen, gegen den Ermittlungen wegen Korruption liefen, sondern, wie ich schon erwähnte, Rizzos rechte Hand und half bei der Leitung der Angriffe gegen die Black Panther und gegen MOVE. Giordano wusste genau, wer Mumia war. Ebenso die beiden ersten Polizisten am Tatort, Robert Shoemaker und James Forbes. Sie waren Stakeout-Polizisten und bei dem Angriff auf das MOVE-Haus in Powelton Village 1978 dabei gewesen.

Sobald Mumia am Tatort erschien, versuchten ihn die Bullen zu töten. Es ist wichtig, dies zu verstehen. Ihm wurde in die Brust durch die Lunge geschossen. Er wurde gegen eine Straßenlaterne geschleudert und dann in den Polizeitransporter geworfen und verprügelt. Der Zeuge Singletary berichtet, dass die Bullen am Tatort, während sie Mumias Kopf als Rammbock benutzten, ausriefen: „Ramp, Ramp, Ramp.“ Das ist der Name des Polizisten, der bei der Belagerung von Powelton Village getötet worden war.

Giordano schlug Mumia im Polizeitransporter und berichtete, dass Mumia gestanden habe, sowohl Faulkner erschossen als auch dessen Waffe auf den Boden geworfen zu haben. Doch der andere Cop, Trombetta, der sich im Transporter befand, berichtete von keinem Geständnis. Was das Auffinden von Mumias Waffe angeht, so besagt die offizielle Polizeidarstellung, dass sie innerhalb einer Minute gefunden wurde, direkt auf der Straße, da wo er gesessen habe. Doch laut Polizeifunkmitschnitten – das ständig laufende Tonband, das die gesamte Kommunikation zwischen dem Tatort und der Polizeizentrale aufzeichnet – vergingen etwa 14 Minuten, bis die Waffe gefunden wurde. Die Meldungen im Polizeifunk stellen auch fest, dass der Schütze mit der Waffe davongelaufen sei.

Giordano ist derselbe Bulle, der die angebliche Identifizierung Mumias durch den Taxifahrer Robert Chobert arrangiert hatte, dem, wie wir später erfuhren, Vergünstigungen versprochen wurden und der unter dem Schutz der Polizei stand. Im Jahre 1995 gab Chobert gegenüber einem Ermittler der Verteidigung zu, in Wirklichkeit die Schießerei nie gesehen zu haben. Wir denken, dass Giordano die Absicht hatte, zu diesem Zeitpunkt Mumia zu erledigen, indem er ihn zur weiteren „Befragung“ mit aufs Polizeirevier nahm. Mumias einziges Verbrechen war, dass er auch, den Versuch der Bullen, auch ihn zu töten, überlebte.

Giordano war der Hauptzeuge der Anklage gegen Mumia bei der Untersuchungsverhandlung, der ersten Gerichtsanhörung nach der Verhaftung. Und er machte Aussagen über die Waffe, über das Geständnis und über den Zeugen. Bezeichnenderweise wurde Giordano, obwohl er der ranghöchste Polizist am Tatort war, trotz seiner angeblichen, direkten Kenntnis einer Zeugenidentität und obwohl er die Mordwaffe gefunden haben wollte, bei Mumias eigentlichem Prozess nie als Zeuge geladen. Während des Prozesses wurde er aus dem aktiven Dienst in den Schreibtischdienst versetzt. Giordano schied am ersten Werktag nach Beendigung des Prozesses aus der Polizei von Philadelphia aus. Im Jahre 1986 zog er es vor, sich der Annahme von Bestechungsgeldern in Höhe von Zehntausenden Dollars im Zeitraum 1979-80 aufgrund von Bundesanklagen für schuldig zu bekennen, und verbrachte keinen einzigen Tag im Gefängnis.

Andere Polizisten waren am Tatort oder in der Nähe, um sicherzustellen, dass der Auftragsmord ohne Probleme vonstatten ging. Darunter waren sowohl „Weißhemden“ – hohe Beamte – als auch Mitglieder der Polizei-Stakeout-Einheit und Zivilbullen. Dies wird bestätigt von Singletary, von einem anderen Zeugen namens Marcus Cannon (der bezeugte, dass Zivilbullen anwesend gewesen waren) und von Pamela Jenkins (einer Prostituierten, die auch die Geliebte eines in einen anderen Skandal verwickelten Cop war). Das ist eine ganze Geschichte für sich. Jenkins sagte, sie kannte Bullen, die am Tatort waren und dass sie in Bestechung im Zusammenhang mit Prostituierten, Drogen und dergleichen verwickelt waren.

Ballistische Beweise

Andere ballistische Beweise und Blutspuren werfen ein Licht auf das Komplott. Das Szenario des Staatsanwaltes, dem sich der Oberste Gerichtshof von Pennsylvania anschloss, war physisch unmöglich und selbst von den eigenen Beweisen der Anklage nicht gestützt. Die Flugbahnen der Geschosse sind falsch. Sie weisen auf mehr als einen Schützen bei der Erschießung Faulkners hin, wie Beverly aussagt. Die Geschosse passen nicht zu der Darstellung der Anklage. Beverly sagt, er habe eine Waffe vom Kaliber .22 bei sich gehabt, was dem entspricht, was Singletary aussagte gehört zu haben. Es gibt keine Geschossspuren, keine Einschläge auf dem Bürgersteig, die die Behauptung stützen, dass mehrere Schüsse auf Faulkners Kopf abgegeben wurden, von denen nur einer Faulkner traf. Solche weiteren Kugeln hätten Spuren hinterlassen. Es gibt außerdem eine Diskrepanz zwischen der Kugel, die aus Faulkners Kopfwunde entfernt wurde, und wie sie beschrieben wurde. Das Ballistikgutachten stellt fest, dass diese Kugel zu sehr deformiert und beschädigt sei, um sie vergleichen zu können. Jedoch sind ihre zur Identifikation wichtigen Bestandteile, ihre Erhebungen und Vertiefungen, eindeutig unversehrt. Es gibt ein fehlendes Geschossfragment, das angeblich aus Faulkners Gehirn entfernt wurde, doch es ist verschwunden. Es wurde nicht aufbewahrt und es gehört nicht mehr zum Beweismaterial. All dies deutet darauf hin, dass das Ballistikgutachten falsch ist.

Die Gerichtsmedizin machte routinemäßig Röntgenaufnahmen von allen Menschen mit Schusswunden. Aber es konnten keine Röntgenbilder von Faulkner gefunden oder vorgebracht werden. Und es gibt auch keinen Beweis dafür, dass Mumias Schusswaffe in dieser Nacht überhaupt abgefeuert wurde. Forbes, der Stakeout-Beamte, der angeblich Mumias Schusswaffe gefunden hat, bezeugte beim Prozess, dass die Kugeln in Mumias Schusswaffe von anderem Typ waren als auf dem Ballistikgutachten angegeben. Und Forbes’ Partner Shoemaker konnte nicht bestätigen, dass Forbes wirklich Mumias und Faulkners Schusswaffen am Tatort gefunden hat. Es gab an allen Ecken und Enden innere Ungereimtheiten.

Arnold Beverly sagt auch aus, dass Faulkner schon erschossen worden war, bevor Mumia überhaupt an den Tatort kam und dass Mumia nicht von Faulkner, sondern von einem anderen Polizeibeamten niedergeschossen worden sei. Dies passt zu einer anderen sehr wichtigen Tatsache: Die Polizisten der Mordkommission am Tatort riefen an diesem Morgen in der Gerichtsmedizin an und berichteten, dass Mumia von einem eintreffenden Polizeibeamten niedergeschossen worden sei. Dies ist nie richtig untersucht worden, doch es war Gegenstand eines In-Camera-Treffens [unter Ausschluss der Öffentlichkeit] zwischen dem Ankläger, McGill, und dem Richter, Sabo – außer der Reichweite der Geschworenen und der Medien. Darüber hinaus passen Mumias Wunden nicht dazu, dass er von Faulkner niedergeschossen worden sein soll. Mumia soll Faulkner in den Rücken geschossen haben, Faulkner habe sich dann herumgedreht und, während er auf den Boden fiel, habe er Mumia in die Brust geschossen. Doch der Schusskanal von Mumias Lunge zu seiner Leber ist abwärtsführend. Doch nach dem Szenario des Staatsanwaltes hätte Faulkner auf Mumia von unten nach oben schießen müssen. Es passt überhaupt nicht zusammen.

Des Weiteren erinnerte sich Dessie Hightower daran, dass Faulkners Revolver noch in seinem Halfter hing, als er weggebracht wurde. Und der Revolver, der in den Ballistikgutachten als Faulkners identifiziert wurde, hatte einen verbogenen Hammersporn und war nicht funktionsfähig. Auch waren die Geschosskammern schmutzig. In solch einem Zustand wäre Faulkners Waffe sicherlich nicht gewesen. Dieser Revolver war wahrscheinlich schon ausgemustert.

Es ist bemerkenswert, dass der Tatort nicht gesichert wurde. Ungefähr um 8 Uhr morgens – 4 Stunden nach dem Schusswechsel – ging der mit Mumia befreundete Journalist Linn Washington zum Tatort. Es gab keine Polizeiabsperrungen und keine Bullen vor Ort, keine Schutzvorkehrungen am Tatort bezüglich Beweisen und Zeugen. Billy Cooks VW war unbeaufsichtigt und Mumias Taxi stand einfach mit steckendem Autoschlüssel auf der Straße.

Da der Staatsanwalt Giordano nicht als Prozesszeugen benutzen wollte, brachte er ein neues Geständnis Mumias zum Vorschein. Etwa zwei Monate nach der Erschießung Faulkners dachten sich die Anklage und die Bullen eine Geschichte aus, dass Mumia in der Nacht der Schießerei im Krankenhaus ein Geständnis abgelegt habe, während er fast verblutete. Der Arzt im Krankenhaus sagte, dass Mumia unmöglich irgendetwas gesagt haben konnte.

Dieses „Geständnis“, das die Polizei angeblich vergessen hatte, wurde beim ursprünglichen Prozess von einem Bullen, Gary Bell, und einer Sicherheitsbediensteten des Krankenhauses, Priscilla Durham, bezeugt. Wir erfuhren bei der Anhörung von 1995, dass dieses Geständnis bei einem von ihnen so genannten Treffen am „runden Tisch“ erfunden wurde, nachdem Mumia gegen die Bullen Klage wegen Polizeibrutalität eingereicht hatte. Die Polizei war außer sich, dass Mumia die Dreistigkeit besessen hatte, sich darüber zu beschweren, dass er am Tatort zusammengeschlagen worden war. Trombettas Partner Gary Wakshul hatte den anfänglichen Polizeibericht eingereicht, der feststellte: „Der Neger machte keine Äußerungen.“ Damit widerlegte er vollständig, dass es irgendein sogenanntes Geständnis gab. Und vor nicht allzu langer Zeit erklärte Kenneth Pate, Durhams Stiefbruder, in einer eidesstattlichen Erklärung, dass sie ihm gegenüber zugegeben habe, in ihrer Zeugenaussage vor Gericht gelogen zu haben.

Es gibt noch ein paar weitere seltsame Vorfälle, die einige Nachforschungen verdienen. Einer der ersten Stakeout-Beamten am Tatort, Robert Shoemaker, hat regelmäßig bei dem Verkaufsstand von Billy Cook und Kenneth Freeman herumgehangen und Marihuana geraucht. Der Verkaufsstand wurde ein paar Nächte nach der Ermordung Faulkners niedergebrannt. Zwei Monate später wurde Freemans Haus nach einer Waffe durchsucht. Und in der Nacht nach der MOVE-Bombardierung vom 13. Mai 1985 wurde Kenneth Freeman, damals 32-jährig, nackt und tot auf der Straße aufgefunden, angeblich an einer Herzattacke gestorben.

Die Unterdrückung des Beverly-Geständnisses

Leonard Weinglass wollte nicht zulassen, dass das Beverly-Geständnis vor Gericht präsentiert wird. Deswegen verließen Jonathan Piper und ich das Rechtsanwaltsteam. Wir konnten uns nicht an einer Verteidigung beteiligen, die Beweise für Mumias Unschuld und das staatliche Komplott unterdrückte. Etwa zwei Jahre später wurde dieses Beweismaterial schließlich von Mumias neuen Rechtsanwälten unter der Leitung von Eliot Grossman und Marlene Kamish beim Staats- und beim Bundesgerichtshof eingereicht. In Verbindung mit der Einreichung ihrer rechtlichen Dokumente beim Staatsgerichtshof von Pennsylvania und beim US-Bundesgerichtshof legte ich meine eidesstattliche Erklärung vor.

Was schließlich das Fass zum Überlaufen gebracht und zur Entlassung von Weinglass und seinem Mitanwalt Williams durch Mumia geführt hatte, war die Veröffentlichung von Williams’ Buch mit dem treffenden Titel Executing Justice im Mai 2001. Williams’ Buch, geschrieben, während er Mumia als Anwalt vertrat, war empörend, schändlich, unethisch und eine Verletzung der anwaltlichen Schweigepflicht. Dieses Buch gab sich zweideutig in der Frage von Mumias Unschuld und war als Präventivschlag gegen das Beverly-Geständnis gedacht, dessen Präsentation als „Propagierung einer Lüge“ angeprangert wurde.

Williams’ Standpunkt war, dass ein übereifriger Polizist das Gesetz ein wenig beugen würde, wenn er wüsste, dass die Person schuldig ist, dass er aber keinem Unschuldigen etwas anhängen würde. Weinglass argumentierte ein wenig anders. Für ihn war das Beverly-Beweismaterial einfach zu heiß und unglaubwürdig. Er wollte bei einem Richter des Obersten Gerichtshofes nicht mit Unterstellungen eines vorsätzlichen Bullenkomplotts und von Lügen der Staatsanwaltschaft Anstoß erregen. Williams leugnete die Wahrheit über die Rolle der Bullen und Gerichte im Kapitalismus und Weinglass weigerte sich, sie darzulegen.

Es ist etwas abartig, Beispiele und Beweise für vorsätzliche Bullenkomplotte geben zu müssen. Sie sind zahlreich. Wie ich schon erwähnte, waren Enthüllungen über die Bullenkomplotte des 39. Bezirks von Philadelphia zur Zeit unserer PCRA-Anhörung 1995 allabendlich in den Nachrichten. Die Fälle der COINTELPRO-Komplotte gegen Geronimo ji Jaga (Pratt) und Dhoruba bin Wahad (Moore) sind allbekannt. Da ist der Ramparts-Fall von Los Angeles. Und selbst einem republikanischen Gouverneur – George Ryan – ging das Ausmaß polizeilicher Erpressung von Geständnissen und Fälschung anderen Beweismaterials zu weit, so dass er im Januar 2003 alle Todesurteile von Illinois umwandelte.

Verbindungen von Bullen zum Mob [Mafia], auch zu Mordzwecken, sind wohldokumentiert. Da ist der Bostoner FBI-Agent mit Verbindungen zur Winter-Hill-Gang, John Connolly Jr., der Auftragsmorde beging. Zwei ehemalige Kriminalbeamte der Mordkommission von New York City, Stephen Caracappa und Louis Eppolito, wurden von einem Bundesgericht zu Lebenslänglich verurteilt, weil sie als Mitglieder der Polizei Morde für die Mafia begangen hatten. Ein FBI-Agent im Ruhestand, Lindley DeVecchio, wurde kürzlich angeklagt, dem Mob Informationen zur Verfügung gestellt zu haben, was unmittelbar Morde zur Folge hatte.

Der Kern der Position von Weinglass und Williams war, dass es keine Rolle spiele, ob Mumia – dem die Hinrichtung droht – unschuldig ist, sondern dass die wirkliche Frage die eines fairen Prozesses sei. Williams Buch führte einen Angriff gegen das PDC und insbesondere Jonathan Piper und mich, wir würden „ideologischen Eifer“ an den Tag legen und aus politischen Gründen angeblich die Wahrheit entstellen. Williams’ Buch ist das einzige „Beweismittel“, das vom Staatsanwalt und von den Richtern des Staats- und des Bundesgerichtshofs bei ihrer wiederholten Weigerung, das Beverly-Geständnis zu berücksichtigen, vorgebracht wurde.

Daher will ich es folgendermaßen ausdrücken. Es war Ergebenheit gegenüber dem Programm des bürgerlichen Liberalismus, also Vertrauen in die Gerechtigkeit der bürgerlichen Gerichte, die zwei Strafverteidiger dazu brachte, Beweise für die Unschuld ihres eigenen Klienten und für das Polizeikomplott zu unterdrücken, die für eine Strafverteidigung unter bürgerlichem Recht eine stichhaltige Grundlage darstellen. Trotz eines jahrzehntelangen Rachefeldzuges des Staates gegen Mumia nutzten diese liberalen Anwälte nicht alle rechtlichen Mittel aus, um für Mumias Freiheit zu kämpfen, weil sie ein politisches Programm verfolgten. Es waren die Anwälte mit der marxistischen Weltanschauung, die beherzt den Beweisen nachgingen und dafür kämpften, sie vor Gericht zu bringen, und gleichzeitig daran arbeiteten, eine Massenbewegung für Mumia aufzubauen, die seine Freiheit fordert.

Demobilisierung der Mumia-Bewegung

Die Kämpfe innerhalb des Rechtsanwaltsteams über das Beverly-Geständnis, über das staatliche Komplott und über Mumias Unschuld spiegelten sich in der Bewegung zu seiner Verteidigung wider – verkörpert in der Ablehnung der Forderung nach Mumias Freiheit zugunsten der Losung für einen „neuen Prozess“. Am bemerkenswertesten war, dass nach einer Debatte auf einem „Emergency Leadership Summit Meeting“ [Not-Gipfeltreffen der Führung] im Januar 1999 – bei der Vertreter der International Concerned Family and Friends, Refuse & Resist, Socialist Action, Solidarity, Workers World Party und andere teilnahmen – die Losungen für „Freiheit für Mumia“ und für Ablehnung der Todesstrafe verworfen wurden.

Während Weinglass damit beschäftigt war, das Beverly-Geständnis in Stücke zu reißen, fand am 24. April 1999 die „Millions-for-Mumia“-Demonstration statt. Nach der Ablehnung von Mumias PCRA-Wiederaufnahmeantrag durch den Obersten Gerichtshof von Philadelphia und unter der Drohung eines neuen Hinrichtungsbefehls für Mumia fanden in den USA die wahrscheinlich größten Kundgebungen für Mumia statt. An der Westküste waren es 20 000 Menschen und in Philadelphia ungefähr 10 000. (Ich möchte noch hervorheben, dass ich zu diesem Zeitpunkt gerade in der Bay Area bei einem Experten für Lügendetektoren war, Charles Honts, der Arnold Beverly einem Lügendetektortest unterzog.) Trotz ihrer Zahlen stellten diese Kundgebungen nicht den Höhepunkt der Kampagne für Mumia dar, sondern vielmehr ihre politische Demobilisierung. Keine einzige Organisation sprach vom Podium dieser Demonstrationen, um die Losung für einen „neuen Prozess“ und das Vertrauen in die Politiker der Demokratischen Partei zu kritisieren. Darunter war auch Jack Heyman von der ILWU [Hafenarbeitergewerkschaft], ein bekannter Wortführer für das sich links gebende Labor Action Committee [Arbeiter-Aktionskomitee].

Dies entsprach auf der politischen Ebene der Unterdrückung des Beverly-Beweismaterials an der gerichtlichen Front. Bei dem „Emergency Leadership Summit Meeting“ ging es darum, „eine breitere und umfassendere Bewegung aufzubauen – eine, die sich an den amerikanischen Mainstream wendet“. Zwei Jahre später sprach Dan Williams davon, dass sein Buch geschrieben wurde, um Jamals Fall „für ein Mainstream-Publikum interessanter und attraktiver zu machen“. Das bedeutete, Mumias Fall für jene zurechtzuschneidern, die darin einen „Justizirrtum“ sehen, eine Verirrung, die das Ansehen der amerikanischen Justiz befleckt – was zu ihrer heutigen Ansicht über die Folterungen von Abu Ghraib passt. Dies bedeutete, Mumias Verteidigung daran zu binden, was Politiker der Demokratischen Partei akzeptieren würden, die z. B. einen neuen Prozess für notwendig halten, um das Image aufzubessern, das Sabo durch seine unbestreitbar rassistische voreingenommene Prozessführung und PCRA-Verhandlung geschaffen hatte. Dies bedeutete, die Wahrheit über den kapitalistischen Staat und seinen Rachefeldzug gegen schwarze Militante, die Verfolgung Mumias im Rahmen von COINTELPRO und die mörderischen Angriffe auf die MOVE-Organisation zu leugnen.

An den Mainstream zu appellieren bedeutete auch Unklarheit in der Frage von Mumias Unschuld – und ob er leben oder sterben soll, ob er lebenslänglich begraben oder freigelassen wird –, wenn es nur einen neuen Prozess gibt. Es bedeutete, genau die Gründe zu verwerfen, weswegen Millionen auf der ganzen Welt Mumias Fall aufgegriffen hatten: Abscheu vor den Ungerechtigkeiten, die zum Kapitalismus gehören – Armut, rassische und ethnische Benachteiligung und Krieg. Es gab eine breite Identifizierung mit Mumias Kampf gegen das „System“ und für Gerechtigkeit für die gesamte Menschheit.

Wie schon erwähnt, versuchten wir von Anfang an die breitest mögliche Unterstützung für Mumia zu mobilisieren, auf einer Einheitsfrontbasis, und gleichzeitig betonten wir, dass hier ein rassistisches Komplott vorlag, das den Charakter des kapitalistischen Staates und die Unterdrückung der Schwarzen enthüllte. Eine klassenkämpferische Verteidigungspolitik bietet die Grundlage für einen erfolgreichen Kampf für Mumias Freiheit. Wie Cannon erklärte, unterstützen wir alle erdenklichen rechtlichen Schritte, aber wir setzen all unser Vertrauen in die Macht der Arbeiterklasse und kein Vertrauen in die Gerechtigkeit der Gerichte.

Als Mumia Weinglass feuerte, war der größte Teil der Führung der Mumia-Bewegung schockiert. Auf den Demonstrationen vom 12. Mai 2001 in der Bay Area und in Philadelphia hörten viele zum ersten Mal von dem Beverly-Geständnis und davon, dass Weinglass entlassen worden war. Auf der Bay-Area-Demonstration versuchte ein Vertreter des International Action Committee, der mit zur Demo-Leitung gehörte, Mumias Erklärung an diese Versammlung zu zensieren.

Nun, was sagte Mumia? Ich will nur einen kleinen Abschnitt seiner Erklärung vorlesen: „Liebe Schwestern, Brüder, Freunde und Feinde, wir sind an einem Scheideweg – einem, der durch Zeit, Geschichte, Umstände und sogar Zufall bestimmt ist... Viele von euch haben gesagt, dass ihr kein Vertrauen in das System habt, doch in eurem Herzen weigert ihr euch, euch davon zu lösen.“ Und dann fährt er fort mit treffender Kritik an Anwälten und erklärt: „Wie könnt ihr sagen, ihr habt kein Vertrauen in das System, und dann Anwälten vertrauen, die die Interessen ihres so genannten Klienten verraten haben? Ich danke euch allen, dass ihr bei diesem fortwährenden Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit mitmacht. Und solltet ihr euch zufällig entscheiden, nicht mit mir zu gehen, so habe ich eine einfache Bitte: Steht mir nicht im Weg... Ich danke euch, Ona MOVE, Lang lebe John Africa.“

Jahrelang klammerten sich die Reformisten an den Glauben, Mumia könnte vor den Bundesgerichten eine faire Entscheidung bekommen. Die Kundgebungen und Mobilisierungen im Frühjahr 1999, 2000 und 2001 bauten auf dieser Voraussetzung auf. Im Dezember 2001 kassierte Bundesrichter Yohn das Todesurteil gegen Mumia und goss so Wasser auf die Mühlen der Liberalen und Reformisten, dass in den Gerichten die „Gerechtigkeit“ obsiegen werde, auch wenn Mumia weiterhin in Pennsylvania in der Todeszelle sitzt. Die Illusionen in Gerichte und bürgerliche Demokratie, die durch die Führung der sogenannten Linken geschürt werden, dienten dazu, die Mumia-Bewegung zu demobilisieren, und das angesichts der Ablehnung aller anderen Beschwerdepunkte durch den Bundesgerichtshof – von Mumias Unschuld, einschließlich des Beverly-Beweismaterials, bis hin zu dem erfundenen Geständnis und den unter Druck gesetzten Zeugen, und auch Mumias zahlreiche Punkte zur Frage eines „fairen Prozesses“.

Trotz weiterer staats- und bundesgerichtlicher Weigerungen in den letzten Jahren, neues Beweismaterial für das staatliche Komplott auch nur anzusehen, verbreiten Workers World, Socialist Action, die RCP und der Rest weiterhin die gleichen Illusionen. Zwar haben sie ab und zu das Beverly-Geständnis zitiert, doch nicht um die Wahrheit zu enthüllen, dass dies ein rassistisches politisches Komplott war, sondern als Ergänzung zu ihren kriecherischen Appellen an die bürgerliche Justiz.

Seit dem letzten Dezember, als das Bundesberufungsgericht Mumias Fall zu einem „beschleunigten Verfahren“ machte, ist Mumia in großer Gefahr, was Massenmobilisierungen unter der Forderung „Freiheit für Mumia, sofort!“ notwendig macht. Doch das International Action Center bejubelte die Einwilligung des Gerichtes, drei der über 25 Beschwerdepunkte aus Mumias Berufung zuzulassen, als einen „gewaltigen Sieg vor einem Bundesgericht“. Dass das Gericht die Todesstrafe durchaus bestätigen könnte oder dass eine neue Verhandlung über das Strafmaß mit einem weiteren Todesurteil enden könnte, wurde von Socialist Action als das „am wenigsten zu erwartende“ Ergebnis abgetan.

Die eindeutige Botschaft ist: Wozu auf der Straße und in den Gewerkschaften mobilisieren, wenn Mumia im Gerichtssaal Gerechtigkeit bekommen kann? Doch der Staat hat wiederholt deutlich gemacht, dass er Mumia unbedingt sterben sehen will. Der einzige Druck, der den Herrschenden und ihren Gerichten etwas ausmacht, ist die Furcht vor den Folgen, falls sie Mumia hinrichten oder lebenslang begraben. Die Prognose der Reformisten, dass diese rechtlichen Schritte zu einem neuen Prozess und zur Freiheit für Mumia führen werden, sind ein Hindernis für den Aufbau der militanten Massenbewegung – vor den Beratungen des Bundesberufungsgerichts –, die zur Rettung von Mumias Leben und zur Erlangung seiner Freiheit entscheidend ist. Die Zeit wird knapp.

Der Weg zu Mumias Freiheit

Mumia ist mit den enormen Ressourcen des kapitalistischen Staates konfrontiert. Der Weg zum Sieg in Mumias Fall, zur Freiheit für Mumia, beginnt mit der Einsicht, dass der Klassenfeind vor nichts haltmachen wird: von Lügen bis hin zu Terror, auf den Straßen und in den Gerichten. Und der Weg zur Freiheit ist das Verständnis vom Charakter des kapitalistischen Staates, einschließlich seiner Gerichte, als einer Maschinerie zur Unterdrückung der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten, zum Schutz und zur Aufrechterhaltung der Herrschaft der Kapitalistenklasse. Der Weg zum Sieg ist das Verständnis, dass die Macht, den Kampf zu gewinnen, aus dem Klassenkampf entspringt – aus der Mobilisierung des multirassischen, multiethnischen Proletariats.

Im Fall des Erfolges hätte der Kampf um Mumias Freiheit enorme Auswirkungen. Er würde der „Anti-Terror“-Kampagne der Regierung und der Aushöhlung demokratischer Rechte einen Schlag versetzen. Er würde der Arbeiterbewegung ein Gefühl ihrer eigenen Macht geben. Der Kampf für Mumia ist der Kampf für die Befreiung der Schwarzen, für die Befreiung von uns allen, ein Teil des Kampfes für eine sozialistische Revolution. Notwendig ist es, die Arbeiterklasse zu dem Bewusstsein zu bringen, dass der Ausweg aus dem ganzen System kapitalistischer Ungerechtigkeit der Kampf für eine sozialistische Revolution ist. Dies erfordert das Instrument einer leninistischen Partei, die als Volkstribun kämpft, der es in W. I. Lenins Worten „versteht, an allen diesen Erscheinungen das Gesamtbild der Polizeiwillkür und der kapitalistischen Ausbeutung zu zeigen, … um vor aller Welt seine sozialistischen Überzeugungen und seine demokratischen Forderungen darzulegen, um allen und jedermann die welthistorische Bedeutung des Befreiungskampfes des Proletariats klarzumachen.“

Freiheit für Mumia!