Spartakist Nummer 169 & 170

Winter 2007/2008 & März 2008

80 Jahre nach Justizmord

Lehren des Kampfes für die Freiheit von Sacco und Vanzetti

Freiheit für Mumia und alle Opfer der Klassenjustiz!

Der 23. August war der Jahrestag der Hinrichtung der anarchistischen Arbeiter Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti 1927 in Massachusetts. Die beiden wurden im Mai 1920, auf dem Höhepunkt der immigrantenfeindlichen Kommunistenhysterie im Gefolge der Russischen Revolution von 1917 verhaftet und im Jahr darauf aufgrund abgekarteter Anklagen wegen Mordes und Raubes verurteilt. Sacco, Facharbeiter in einer Schuhfabrik, und Vanzetti, der seinen Lebensunterhalt als Fischverkäufer verdiente, wurden herausgegriffen, weil sie italienische Einwanderer waren und ihr Leben dem Kampf für die Emanzipation der Arbeiterklasse verschrieben hatten.

Durch ihre Hinrichtung gelangten Sacco und Vanzetti auf die lange Liste von Kämpfern der Arbeiterklasse, die von den „demokratischen“ Herrschern des amerikanischen Kapitalismus der barbarischen Todesstrafe unterworfen oder im Gefängnis begraben wurden: die Haymarket-Märtyrer, im Jahr 1887 hingerichtete Gewerkschaftsorganisatoren und Anarchisten; Joe Hill, ein aufgrund einer abgekarteten Mordanklage verurteilter und 1915 von einem Exekutionskommando in Utah hingerichteter Aktivist der Industrial Workers of the World (IWW); Tom Mooney und Warren Billings, ebenfalls auf Grund abgekarteter Mordanklagen verurteilt wegen einer Bombenexplosion auf einer „Preparedness“-Kundgebung 1916 in San Francisco, die für den Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg, einen interimperialistischen Krieg, die Werbetrommel rührte. (Mooney und Billings wurden 1939 aus dem Gefängnis entlassen.) Bis zu ihrem letzten Atemzug blieben Sacco und Vanzetti ungebrochen. Als ihn die Wärter auf dem elektrischen Stuhl festschnallten, rief Sacco aus: „Viva l’anarchia“. Augenblicke später wandte sich Vanzetti an den Aufseher und erklärte: „Ich bin aller Verbrechen unschuldig, nicht nur dieses, sondern aller, wirklich aller. Ich bin ein unschuldiger Mann.“ Er wurde Minuten darauf auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet.

Die Geschichte von Sacco und Vanzetti ist auch die des militanten Kampfes um ihr Leben und ihre Freiheit, geführt von der mit der frühen Communist Party (CP) verbundenen International Labor Defense (ILD). Als US-Tochterorganisation der von der Kommunistischen Internationale gegründeten Internationalen Roten Hilfe (IRH) leistete die ILD Pionierarbeit klassenkämpferischer Verteidigung durch Mobilisierung der Arbeiter für Sacco und Vanzetti überall in den USA, zusammen mit den internationalen Anstrengungen der IRH.

Nach den Hinrichtungen zog der ILD-Sekretär James P. Cannon, ein Führer der frühen CP und später des amerikanischen Trotzkismus, die Lehren aus diesen Kampf in einem Artikel im Labor Defender (Oktober 1927), der Zeitung der ILD, unter dem Titel „A Living Monument to Sacco and Vanzetti“ [Ein lebendiges Monument für Sacco und Vanzetti]. Cannon schrieb: „Mit diesem Akt eines hinterlistigen Mordes zeigt die herrschende Klasse Amerikas der Welt ihr wahres Gesicht. Die Maske der ,Demokratie‘ ist abgeworfen.“ Cannon appellierte an die Arbeitersolidarität und betonte, dass sich die ILD „bemüht hat, den Kampf für sie [Sacco und Vanzetti] mit der allgemeinen Verteidigung der zahlreichen Gefangenen der Arbeiterbewegung, die heute in den Gefängnissen sitzen, und mit dem umfassenderen Kampf der werktätigen Massen zur Befreiung vom Joch des Kapitalismus zu verbinden“.

Das ist die Perspektive, auf die sich die Arbeit des Partisan Defense Committee [in Deutschland Komitee für soziale Verteidigung] ausrichtet – eine mit der Spartacist League/U.S. verbundene klassenkämpferische Organisation zur rechtlichen und sozialen Verteidigung. Die Arbeit der ILD liefert Kämpfern der Arbeiterklasse, Linken und radikalen Jugendlichen wichtige Lehren für die Kämpfe von heute, insbesondere für den Kampf um das Leben und die Freiheit von Mumia Abu-Jamal. Mumia, in seiner Jugend ein Sprecher der Black Panther Party, später ein preisgekrönter Journalist und Unterstützer der MOVE-Organisation, wurde aufgrund der falschen abgekarteten Anklage, am 9. Dezember 1981 den Polizeibeamten von Philadelphia Daniel Faulkner ermordet zu haben, zum Tode verurteilt, ausdrücklich aufgrund seiner politischen Ansichten. In Mumias Fall geht es um das rassistische und politische Komplott gegen einen Unschuldigen. Wie wir immer wieder betont haben, seit sich das PDC vor etwa 20 Jahren seines Falles annahm, ist der Weg zu seiner Freiheit, in den USA und international das Proletariat zu mobilisieren, dessen soziale Macht in seiner Masse, seiner Organisation und seiner Fähigkeit, die Produktion zum Stillstand zu bringen, liegt.

Die Ähnlichkeiten der Komplotte gegen Sacco und Vanzetti und gegen Mumia sind auffallend. Alle drei wurden für ihre politischen Ansichten und Aktivitäten bestraft. Sacco und Vanzetti gehörten zu den Anarchisten, die die US-Regierung zur Zielscheibe ihrer Repression ausersehen hatte; Mumia war im Fadenkreuz des FBI und der Bullen Philadelphias, seit er mit 15 Jahren Sprecher der Black Panthers war, und handelte sich auch ihren Hass ein wegen seiner späteren Verteidigung der MOVE-Organisation gegen brutale Polizeiangriffe. Beide Fälle waren gekennzeichnet von Manipulation der Geschworenen, Unterschlagung von Beweismaterial, Nötigung von Zeugen und gefälschten Ballistikgutachten, und bei den Prozessen hatten Richter den Vorsitz, die gegen die Angeklagten offen voreingenommen waren.

Im Jahre 1924 sagte Richter Webster Thayer, nachdem er einen Antrag auf einen neuen Prozess für Sacco und Vanzetti abgelehnt hatte, zu James Richardson, Professor am Dartmouth College: „Haben Sie gesehen, was ich neulich mit diesen anarchistischen Bastarden gemacht habe?“ (zitiert in Herbert Ehrmann, The Case That Will Not Die [Der nicht totzukriegende Fall], 1969). Während Mumias Prozess von 1982 hörte eine Gerichtsstenografin zufällig, wie sich Richter Albert Sabo brüstete: „Ich werde denen helfen, den N----r zu braten.“ In beiden Fällen legte letztendlich eine andere Person ein Geständnis ab und entlastete die Angeklagten von jeglicher Beteiligung, aber die Gerichte sahen die Geständnisse als gegenstandslos an. Und für Mumia wie auch für Sacco und Vanzetti mobilisierten weltweit Arbeiter und Unterdrückte, die in dem Kampf um deren Freiheit ihre eigenen Kämpfe sahen.

Von entscheidender Wichtigkeit ist, dass im Fall von Sacco und Vanzetti – wie auch in Mumias Fall heute – die Politik der klassenkämpferischen Verteidigung entgegengesetzt war zu Illusionen in die „Fairness“ der kapitalistischen Justiz, die bürgerliche Liberale, Gewerkschaftsirreführer und reformistische Linke säten. Bis zum Tage von Saccos und Vanzettis Hinrichtung führte die ILD für sie einen unermüdlichen Kampf um Einheit in der Aktion auf Grundlage des Klassenkampfes. Die ILD unterstützte die Ausnutzung jeglicher rechtlicher Mittel, die Sacco und Vanzetti zu Gebote standen. Doch Cannon bestand darauf, dass der Kampf für Sacco und Vanzetti vor den „Obersten Gerichtshof der Massen“ gebracht werden müsse. Bei jeder neuen Wende des Kampfes vor Gericht – Anträge auf einen neuen Prozess, Berufung vor dem höchsten Gericht von Massachusetts, Gnadengesuche oder Berufungen vor dem Obersten US-Gerichtshof – kämpfte die ILD gegen diejenigen, die den Kampf dadurch unterminierten, dass sie Vertrauen in die Richter mit ihren schwarzen Roben oder in den Gouverneur von Massachusetts predigten, eine Politik, die mit Verleumdungen, Ausschlüssen und sogar physischen Angriffen gegen ILD und CP einherging.

Eine Sache des Proletariats

Zur Zeit der Hinrichtung von Sacco und Vanzetti war ihr Fall von einem breiten Spektrum an Organisationen und prominenten Persönlichkeiten aufgegriffen worden: von Gewerkschaften und sozialistischen Organisationen in den USA bis hin zu Parlamentsabgeordneten in Britannien und weltberühmten Schriftstellern und Künstlern. Albert Einstein unterschrieb ein Protestschreiben an US-Präsident Calvin Coolidge. Der Dramatiker George Bernard Shaw brandmarkte das Komplott, und die Pulitzerpreisgewinnerin Edna St. Vincent Millay machte den Fall in ihren Gedichten bekannt. Upton Sinclair, Autor von Der Dschungel, dem klassischen sozialkritischen Roman über die fleischverarbeitende Industrie, setzte sich für die Verteidigung ein, ebenso wie John Dos Passos 1927 in seiner Streitschrift Facing the Chair [Im Angesicht des elektrischen Stuhls]. Sacco und Vanzetti wurde später in Bildern von Ben Shahn, in Musik von Woodie Guthrie, Ennio Morricone und Joan Baez und in Theaterstücken und Filmen ein Denkmal gesetzt.

Ein Artikel des Harvard-Juraprofessors und späteren Richters am Obersten Gerichtshof Felix Frankfurter in der Atlantic Monthly (März 1927), der später zu dem Buch The Case of Sacco and Vanzetti [Der Fall von Sacco und Vanzetti] erweitert wurde, entlarvte die juristische Farce vor einem nationalen und internationalen Publikum. Frankfurters Buch wirbelte so viel Staub auf, dass der Präsident des Obersten Gerichtshofes der USA, der ehemalige Präsident William Howard Taft, es als „bösartige Propaganda“ beschimpfte, und Frankfurters Telefon wurde angezapft.

Das breite Ausmaß der Unterstützung für Sacco und Vanzetti war bemerkenswert, es gab dabei auch liberale Persönlichkeiten wie Frankfurter, der in dem Komplott gegen die beiden einen Schandfleck für das Ansehen der amerikanischen Demokratie sah. Doch der Fall von Sacco und Vanzetti gehört dem internationalen Proletariat. Schon 1921 gab es Proteste in europäischen Hauptstädten wie London, Rom und Paris, ebenso in Casablanca, Marokko, Mexiko City, Caracas, Venezuela, und Montevideo, Uruguay. Arbeiter identifizierten sich rund um die Welt mit den beiden Kämpfern, dies wurde auf den Punkt gebracht vom Verband der Lastwagenfahrer des Hafens von Veracruz, Mexiko, die 1921 mit der Forderung protestierten: „Lasst Sacco und Vanzetti frei, oder die proletarische Welt wird euch die Eingeweide herausreißen!“ In den USA erhoben verschiedene Gewerkschaften und sogar die konservativen Führer der American Federation of Labor (AFL) zusammen mit der Socialist Party (SP), der IWW und anderen linken und Bürgerrechtsgruppen ebenfalls ihre Stimme.

Die organisierte Verteidigung von Sacco und Vanzetti wurde von italienischen Anarchisten in Boston initiiert, und kurz darauf schlossen sich etliche Bürgerrechtler an. Doch es war das Eingreifen der Internationalen Roten Hilfe und der ILD in den USA, was für die proletarische Protestbewegung eine zentrale Rolle spielte. In einer Zeit, als Hinrichtungen gewöhnlich kurz nach Verurteilungen stattfanden, war es die Mobilisierung von Millionen, die Sacco und Vanzetti sechs Jahre lang am Leben hielt.

Die Kommunistische Internationale und die CP in den USA gaben im Herbst 1921 Aufrufe zu einer weltweiten Kampagne für Sacco und Vanzetti heraus. Die erste Ausgabe des Labor Herald (März 1922), einer Publikation der mit der CP verbundenen Trade Union Educational League, rief auf: „Arbeiter! Handelt sofort, um Sacco und Vanzetti zu retten!“ Der Daily Worker der CP berichtete über jede neue Wendung in dem Fall und schrieb regelmäßig über internationale Proteste. Auf der Titelseite des Daily Worker (27. Dezember 1924) forderte die CP dazu auf, dass sich „alle Organisationen von Arbeitern in Amerika [dem Protest] anschließen in einer Einheitsfront für Sacco und Vanzetti gegen ihre kapitalistischen Feinde und für ihre sofortige Freilassung“.

Der Fall von Sacco und Vanzetti war ein Hauptpunkt bei der Gründungskonferenz der ILD 1925. Die ILD erwuchs aus Diskussionen in Moskau zwischen James P. Cannon und dem Ex-„Wobbly“ Big Bill Haywood. Nichtsektiererische Arbeiterverteidigung war für die Workers (Communist) Party von Anfang an ein Thema der Propaganda, doch erst die ILD machte sie zur Realität. Cannon, selbst ehemaliges IWW-Mitglied, hatte in seinem Werdegang Erfahrungen mit Fällen der Arbeiterverteidigung gesammelt. Er erinnerte sich: „Ich stammte aus der alten Bewegung, und die eine Sache, die dort absolut unantastbar war, war die Einheit für die Opfer kapitalistischer Justiz“ (zitiert in Bryan Palmer, James P. Cannon and the Origins of the American Revolutionary Left, 1890–1928 [James P. Cannon und die Ursprünge der amerikanischen revolutionären Linken], 2007). Im Bestreben, die Begrenztheit der Vorgehensweise der Arbeiterverteidigung in der Vergangenheit zu überwinden, wo jeder Fall zur Neueinrichtung eines Ad-hoc-Verteidigungskomitees führte, wollte Cannon eine auf Arbeiter gestützte Arbeiterverteidigungsorganisation für die gesamte Arbeiterbewegung aufbauen.

Wie Cannon in The First Ten Years of American Communism [Die ersten zehn Jahre des amerikanischen Kommunismus] (1962) schilderte, wurde die ILD speziell dafür gegründet, sich der Notlage eines „jeden Mitglieds der Arbeiterbewegung, ungeachtet seiner Einstellung, das wegen seiner Aktivitäten oder seiner Ansichten unter der Verfolgung durch die kapitalistischen Gerichte zu leiden hat“, anzunehmen. Die ILD verband die Tradition der IWW von klassenkämpferischer, nichtsektiererischer Verteidigung – zusammengefasst in der Wobbly-Losung „Ein Angriff auf einen ist ein Angriff auf alle“ – mit dem Internationalismus der bolschewistischen Revolution. Nach ihrer Gründung machte die ILD 106 Klassenkriegsgefangene in den USA ausfindig und etablierte die Politik, sie und ihre Familien finanziell zu unterstützen. Innerhalb weniger als einem Jahr hatte die ILD Ortsgruppen in 146 Städten mit 20 000 Einzelmitgliedern, dazu 75 000 Mitglieder von Gewerkschaften und anderen Arbeiterorganisationen, die sich der ILD kollektiv angeschlossen hatten.

Die ILD machte Saccos und Vanzettis Kampf bekannt und organisierte Kundgebungen und politische Streiks, um ihre Freiheit zu fordern. Die ILD kämpfte dagegen, dass Kampfgeist und Klassensolidarität der Arbeiter von den Liberalen, Sozialdemokraten und AFL-Führern zersetzt wurden, die predigten, dass den kapitalistischen Gerichten Gerechtigkeit innewohne. Die ILD mobilisierte auf der Grundlage der Einheitsfront, ihr Ziel war, für die verschiedenen Organisationen, die Sacco und Vanzetti verteidigten, die größtmögliche Einheit im Kampf zu erreichen, gleichzeitig aber die politischen Meinungsverschiedenheiten zwischen CP/ILD und den anderen offen darzulegen. Die Losung „Getrennt marschieren, vereint schlagen“ verkörpert die beiden Zielsetzungen der Einheitsfronttaktik: Klasseneinheit und der politische Kampf für ein kommunistisches Programm.

Die internationale Protestbewegung erweiterte das Lehrbuch der Klassenkampfverteidigung um ein Kapitel, das Geschichte machte. Die ILD initiierte am Maifeiertag 500 Versammlungen für Sacco und Vanzetti in Städten im ganzen Land und spielte eine Schlüsselrolle bei der Organisierung von Arbeiterprotesten und Streiks, von einer Kundgebung mit 20 000 Teilnehmern auf New Yorks Union Square im April 1927 bis hin zu Protesten und Streiks am Vorabend der Hinrichtungen, an denen sich Hunderttausende beteiligten. Der ILD war klar: Um die Hinrichtungen zu stoppen und die Freiheit von Sacco und Vanzetti zu erlangen, konnte sie nur darauf bauen, eine so machtvolle Welle von Arbeiteraktionen zu entfachen, dass die kapitalistischen Herrscher davon Abstand nehmen würden, ihre Pläne auszuführen.

Doch die antikommunistischen AFL-Führer sabotierten die Streikbewegung in entscheidenden Momenten, ermuntert von den Sozialdemokraten der SP und anderen. Zahllose Artikel und Bücher wurden seitdem geschrieben, um die CP und die ILD zu diffamieren – von denen, die in dem Fall einen „Justizirrtum“ zugeben, bis hin zu anderen, die absurderweise behaupten, dass entweder Sacco oder beide Männer schuldig waren. Repräsentativ für erstere ist das jüngst erschienene Buch Sacco and Vanzetti: The Men, the Murders, and the Judgement of Mankind [Sacco und Vanzetti: die Männer, die Morde und das Urteil der Menschheit] von Bruce Watson, das über Generationen weitergegebene antikommunistische Verleumdungen nachplappert, von der grotesken Behauptung, dass es der CP völlig egal gewesen sei, ob Sacco und Vanzetti leben oder sterben, bis hin zu der Lüge, die ILD habe das Geld, das sie für die Verteidigung sammelte, selbst eingesteckt.

Die Kommunistenhysterie

Sacco und Vanzetti wurden am 5. Mai 1920 verhaftet, inmitten einer bösartigen immigrantenfeindlichen, antikommunistischen Hysterie. Als der US-Imperialismus in den Ersten Weltkrieg eintrat, führte die Regierung eine Fülle von Repressionsmaßnahmen zur Kriminalisierung von Antikriegsaktivitäten durch. Der Espionage Act [Spionagegesetz] von 1917 sah Gefängnisstrafen für jegliche Handlung vor, die als Störung der Rekrutierung von Truppen angesehen wurde. Verfolgt von dem Gespenst der bolschewistischen Revolution von 1917 verabschiedete der Kongress im darauf folgenden Jahr den Sedition Act [Aufwiegelungsgesetz], das Kritik an der „amerikanischen Regierungsform“ zu einem Kapitalverbrechen machte.

Die Kommunistenhysterie kam im Jahre 1919 richtig in Fahrt. Dieses Jahr erlebte den Höhepunkt einer Welle des Arbeiterradikalismus, die Europa als Reaktion auf das Gemetzel des Ersten Weltkriegs und unter dem Einfluss der Russischen Revolution überflutete. In den USA wuchs die SP auf über 100 000 Mitglieder – vor allem im Ausland geborene Arbeiter –, von denen zwei Drittel den probolschewistischen linken Flügel unterstützten. Die USA wurden von der bis dato größten Streikwelle heimgesucht, bei der 4 Millionen Arbeiter als Antwort auf die vom Krieg verursachte Inflation die Arbeit niederlegten. In Seattle legte im Februar 1919 ein Generalstreik die Stadt fünf Tage lang lahm, und im gleichen Jahr weigerten sich Hafenarbeiter, Munition zu verladen, die für Konterrevolutionäre bestimmt war, die den jungen Sowjetstaat zu stürzen versuchten.

Die US-Bourgeoisie entfachte eine Hysterie über eine Reihe von Bombenanschlägen, die Anarchisten zugeschrieben wurden. Nach einem versuchten Bombenanschlag auf sein Haus im Juni 1919 entfesselte der US-Generalstaatsanwalt A. Mitchell Palmer eine zusätzliche Repressionswelle und schimpfte, die scharfen Zungen der revolutionären Hitze „leckten an den Altären der Kirche, sprangen auf die Glockentürme der Schulglocken über, krochen in die heiligen Ecken der amerikanischen Häuser, trachteten danach, das Ehegelübde durch liederliche Regeln zu ersetzen, die Fundamente der Gesellschaft einzuäschern“. Im November wurden die Palmer-Razzien mit der Verhaftung von mehr als 3000 im Ausland geborenen Radikalen eröffnet. Schließlich wurden mindestens 6000 deportiert. Als sich die kapitalistische Weltordnung stabilisierte, waren die 20er-Jahre in den Vereinigten Staaten, inzwischen die kapitalistische Hauptmacht auf der Welt, ein Jahrzehnt blindwütiger Reaktion: Weitere immigrantenfeindliche Gesetze wurden 1921 und 1924 verabschiedet; Antikartellgesetze wurden benutzt, um Streiks zu brechen; militante Arbeiter und Kommunisten wurden ins Gefängnis geworfen. Der Ku-Klux-Klan wuchs rasant und marschierte in einer Stärke von 40 000 durch Washington.

Sacco und Vanzetti wurden zu Symbolen für diejenigen, die im Netz der Repression gefangen waren. Beide waren 1908 in die Vereinigten Staaten gekommen. Innerhalb von fünf Jahren waren sie zu Anarchisten geworden und zu Abonnenten der italienischsprachigen anarchistischen Zeitung Cronaca Sovversiva (Subversive Chronik) von Luigi Galleani. Saccos Name erschien häufig in der Spalte der Zeitung, die organisatorische Aktivitäten ankündigte, insbesondere Geldsammlungen für politische Gefangene und eingekerkerte Streikende. Sacco half bei Spendensammlungen für Arbeiter und ihre verhafteten Führer während des Textilarbeiterstreiks von 1912 in Lawrence, Massachusetts. Im folgenden Jahr half er dabei, Streikpostenketten vor der Hopedale-Papierfabrik zu organisieren und war im Dezember 1916 einer von drei Anarchisten aus Massachusetts, die verhaftet wurden, weil sie ohne Erlaubnis eine Solidaritätsversammlung für streikende Stahlarbeiter in Minnesota abgehalten hatten. Ebenfalls 1916 sammelte Vanzetti Spenden zur Unterstützung von Streikenden in der riesigen Plymouth-Cordage-Fabrik, in der er zuvor gearbeitet hatte.

Sacco und Vanzetti trafen sich erstmals 1917 in Mexiko, wohin viele Galleanisten gegangen waren, um sich der Einberufung zu entziehen. Sacco kam nach ein paar Monaten in die USA zurück. Vanzetti kehrte später zurück, zu einer Zeit heftiger Repression gegen Cronaca Sovversiva, darunter wiederholte Razzien in ihren Büroräumen und die Beschlagnahme der Zeitung, die von der Post boykottiert wurde. Im Februar 1918 überfielen FBI-Agenten das Büro der Cronaca in Lynn, Massachusetts, und beschlagnahmten 5000 Adressen von Abonnenten, darunter auch die von Sacco und Vanzetti. Achtzig Galleanisten wurden verhaftet und Galleani selbst wurde 1919 deportiert.

Das Komplott

Am 24. Dezember 1919 wurde versucht, einen Wagen mit Lohngeldern auszurauben, der sich der L.Q.-White-Schuhfabrik in Bridgewater, Massachusetts, näherte. Als Wachleute zurückschossen, flohen die beiden bewaffneten Räuber zu einem wartenden schwarzen Auto, das davonfuhr. Zeugen beschrieben die Bewaffneten als „Ausländer“. Einer, der eine Schrotflinte abgefeuert habe, soll einen dunklen Teint und einen schwarzen Schnurrbart gehabt haben. Am 5. April 1920 wurden zwei Angestellte der Schuhfabrik Slater & Morrill in South Braintree außerhalb Bostons von zwei Männern angegriffen, als sie die Lohngelder der Fabrik transportierten. Zahlmeister Frederick Parmenter und sein Assistent Alessandro Berardelli wurden erschossen, und die Banditen entkamen zusammen mit anderen in einem dunklen Wagen.

Drei Wochen später, am 5. Mai, wurden Sacco und Vanzetti in einer von Bridgewater-Polizeichef Michael Stewart gestellten Falle festgenommen, der beide Raubüberfälle Anarchisten anhängen wollte. Die beiden Anarchisten waren dabei, zusammen mit ihren Gefährten Ricardo Orciani und Mike Boda dessen Wagen aus einer Autowerkstatt in West Bridgewater abzuholen, wo er repariert wurde. Wie mit Polizeichef Stewart vorher ausgemacht, weigerte sich der Besitzer, den Wagen herauszugeben, und seine Frau rief die Bullen. Nachdem die Anarchisten die Werkstatt verlassen hatten, wurden Sacco und Vanzetti in einer Straßenbahn nach Boston verhaftet.

Ohne je davon informiert worden zu sein, dass sie eines Raubüberfalls verdächtigt wurden, waren Sacco und Vanzetti überzeugt, wegen ihrer politischen Aktivitäten verhaftet worden zu sein. In seiner Aussage vor Gericht beschrieb Vanzetti seine Vernehmung durch Stewart: „Er fragte mich, warum wir in Bridgewater waren, wie lange ich Sacco kenne, ob ich ein Radikaler sei, ob ich ein Anarchist oder Kommunist sei, und er fragte mich, ob ich an die Regierung der Vereinigten Staaten glaube.“

Der unmittelbare Hintergrund ihrer Verhaftung war der Tod des Anarchisten Andrea Salsedo zwei Tage zuvor, der aus dem 14. Stock des Büros des Justizministeriums in New York gestürzt war. Verhaftet im Februar, waren Salsedo und Roberto Elia in Isolationshaft gehalten worden. Ende April hatte die Grupo Autonomo, eine Zelle italienischer Anarchisten, Vanzetti nach New York geschickt, um Informationen über die beiden zu bekommen. Dort wurde ihm vom italienischen Verteidigungskomitee geraten, sich jeglicher radikaler Schriften zu entledigen, da weitere Razzien erwartet wurden. Aus diesem Grunde gingen sie am 5. Mai Bodas Wagen holen. Bei ihrer Verhaftung sagten sie den Bullen nichts von dem Zweck ihres Besuchs in der Autowerkstatt.

Vanzetti wurde zunächst aufgrund der abgekarteten Anklage des fehlgeschlagenen Raubüberfalls von Bridgewater vor Gericht gestellt; das war der Versuch des Staates, entweder ihm oder Sacco vor dem Prozess zu den Mordanklagen von Braintree ein Vorstrafenregister anzuhängen. Felix Frankfurter schilderte die Farce in The Case of Sacco and Vanzetti (1927):

„Der Beweis zur Identifizierung Vanzettis im Bridgewater-Fall grenzte an Albernheit und gipfelte in der Zeugenaussage eines kleinen Zeitungsjungen, der von dem Telegrafenmast, hinter dem er während der Schießerei Zuflucht gesucht hatte, einen flüchtigen Blick auf den Kriminellen geworfen hatte und ,an der Art, wie er gelaufen sei, bemerkt habe, dass es ein Ausländer war‘. Vanzetti war ein Ausländer, also war es natürlich Vanzetti!“

Trotz der Aussagen von 18 Zeugen, dass er zu dieser Zeit in Plymouth gewesen sei und Aale verkauft habe, wurde Vanzetti wegen tätlichen Angriffs verurteilt. Vanzetti und Sacco wurden dann sofort wegen der Braintree-Morde angeklagt.

Der Mordprozess begann am 31. Mai 1921 in Dedham, Massachusetts, mit einem Bullenaufgebot mit Schrotflinten auf dem Treppenaufgang zum Gericht. Selbst ein FBI-Agent bemerkte, dass die „Stimmung in Dedham gegenüber Italienern ziemlich aufgeheizt ist und sich wahrscheinlich im Verlaufe des Prozesses weiter aufheizen wird“ (zitiert in William Young und David E. Kaiser, Postmortem: New Evidence in the Case of Sacco and Vanzetti, 1985 [Post mortem: neue Beweise im Fall Sacco und Vanzetti]). Fünf der Geschworenen wurden aus dem persönlichen Bekanntenkreis eines Hilfssheriffs ausgewählt. Der Sprecher der Jury Walter Ripley war ein ehemaliger Polizeichef, der zu Beginn einer jeden Gerichtssitzung demonstrativ aufstand und der Fahne salutierte. Als ein Freund vor dem Prozess zu Ripley sagte, er glaube nicht, dass Sacco und Vanzetti schuldig seien, blaffte Ripley zurück: „Zum Teufel mit ihnen, man soll sie trotzdem hängen!“

In seinen einleitenden Bemerkungen rief Richter Thayer die Geschworenen auf, den Dienst „im selben Geiste des Patriotismus, der Unerschrockenheit und der Pflichtergebenheit“ zu versehen, „wie er von unseren Soldatenjungs in Übersee an den Tag gelegt wurde“. Mit Thayers Unterstützung nahm der Staatsanwalt Frederick Katzmann Sacco ins Kreuzverhör und fragte ihn, ob seine Sammlung anarchistischer und sozialistischer Schriften „im Interesse der Vereinigten Staaten sei“. Um die Geschworenen in Rage zu versetzen, stellte Katzmann wiederholt Fragen im Zusammenhang mit Saccos und Vanzettis Flucht nach Mexiko vor der Einberufung, und in seiner Unterweisung der Geschworenen bezeichnete Richter Thayer sie wiederholt als „Drückeberger“.

Wie bei Mumias abgekartetem Prozess von 1982 fehlten jegliche Beweise. Nichts von der gestohlenen Beute wurde je bei ihnen oder in ihrer Nähe gefunden. Dreizehn Alibizeugen lokalisierten Vanzetti in Plymouth beim Verkaufen von Fisch. Ebenso sagten Zeugen aus, dass Sacco zur Mordzeit in Boston gewesen sei. Unter ihnen befand sich ein Sekretär des italienischen Konsulats, auf das Sacco am Tag des Mordes gegangen war, um einen Pass zu bekommen.

Augenzeugen hatten anfänglich den Bullen erzählt, dass sie nicht genug gesehen hätten, um den bewaffneten Räuber zu identifizieren; sie wurden genötigt, ihre Aussagen zu ändern. Zwei von ihnen identifizierten zuerst ein Foto des New Yorker Bankräubers Anthony Palmisano, der damals im Gefängnis saß, als das des Schützen. Die Zeugin Lola Andrews, eine Teilzeitkrankenschwester mit einer Vorgeschichte von Prostitution und Versicherungsbetrug, identifizierte Sacco als den Mann, den sie kurz vor der Schießerei nach dem Weg gefragt habe. Im Kreuzverhör gab Andrews zu, dass sie von Katzmann unter Druck gesetzt worden war, zu sagen, Sacco sei dieser Mann gewesen. Andere Augenzeugen sagten aus, dass Sacco nicht der Mörder gewesen sei. Barbara Liscomb sagte aus, dass der Bewaffnete, den sie über Berardelli stehen sah, ihr direkt ins Gesicht gesehen habe und dass es nicht Sacco gewesen sei. Zusätzliche Zeugen wurden von der Staatsanwaltschaft verheimlicht, wie z. B. Roy Gould, der gerade die Straße überquerte, als auf ihn aus dem Fluchtauto geschossen wurde. Die Beschreibung des Schützen, die Gould den Bullen gab, traf weder auf Sacco noch auf Vanzetti zu.

Ähnlich fadenscheinig war das ballistische Beweismaterial. Sechs Geschosse vom Kaliber .32 wurden aus Parmeter und Berardelli entfernt, was den Revolver vom Kaliber .38, den Vanzetti bei seiner Verhaftung bei sich trug, ausschließt. Es gab kein formelles Verwahrungsprotokoll für die Kugeln, um zu dokumentieren, wer mit ihnen wann arbeitete. Alle Zeugen sagten aus, dass es nur einen Bewaffneten gegeben habe und dass nur eine Pistole benutzt worden sei. Dies wurde von dem Arzt George McGrath, der die Autopsie durchführte, bestätigt. Und er sagte vor den Geschworenen aus, dass alle Geschosse „genau gleich ausgesehen haben“ und die gleichen Schussmarken aufwiesen. Dennoch wartete die Anklage mit einem „Geschoss III“ auf, das anders als die anderen einen Linksdrall aufwies, und behauptete, dies stamme aus Saccos Kaliber .32.

In einer 1923 von der Verteidigung nach dem Prozess vorgelegten eidesstattlichen Erklärung vermerkte der oberste staatliche Ballistikexperte Captain Proctor, dass er dem Staatsanwalt gesagt habe: Würde er ausdrücklich danach gefragt werden, ob Tests gezeigt hätten, dass Geschoss III aus Saccos Schusswaffe gekommen sei, würde er mit Nein antworten. Doch nach wiederholtem Bedrängen durch den Staatsanwalt willigte Proctor ein, auszusagen, dass das Geschoss mit einem aus Saccos Schusswaffe übereinstimmte. Proctor erklärte später, dass er nie geglaubt habe, dass das Geschoss aus Saccos Schusswaffe gekommen sei.

Trotz des völligen Fehlens von Beweisen kamen die Geschworenen nach nur fünfstündiger Beratungszeit mit Schuldsprüchen zurück. Im Dezember 1921 lehnte Richter Thayer einen Antrag auf einen neuen Prozess ab. Wenngleich er Schwächen auf Seiten der Anklage zugab, entschied Thayer, dass „die Beweise, aufgrund derer die Angeklagten verurteilt wurden, Indizienbeweise seien und Beweismaterial, das in der Rechtslehre als ,Schuldbewusstsein‘ bekannt ist“, angeblich bekundet durch die Lügen, die Sacco und Vanzetti bei ihrer Festnahme erzählt hatten, um sich und ihre Genossen zu schützen. Wie die ILD-Broschüre Labor’s Martyrs [Märtyrer der Arbeiterbewegung] von 1927, geschrieben von Max Shachtman, es ausdrückte: „Das Schuldbewusstsein, das Sacco und Vanzetti zugeschrieben wird, war nichts weiter als ein gesundes Bewusstsein vom Klassenkampf und von den Methoden der Feinde der Arbeiterklasse.“

Parallelen zum Komplott gegen Mumia

Alles was benutzt wurde, um Sacco und Vanzetti zu verurteilen – gefälschte Ballistikgutachten, Einschüchterung von Zeugen, Benutzung des politischen Hintergrundes der Angeklagten, um die Geschworenen in Rage zu versetzen – sollte sich bei Mumias Prozess 60 Jahre später wiederholen. Staatsanwalt Joseph McGill argumentierte gegenüber den nahezu ausschließlich weißen Geschworenen, dass Mumias Mitgliedschaft in der Black Panther Party zwölf Jahre zuvor beweise, dass er geplant habe, einen Bullen zu töten. Die beiden Hauptzeugen der Anklage wurden genötigt, ihre Zeugenaussagen zu ändern, und Zeugen, die Mumia entlasten konnten, wurden eingeschüchtert, damit sie nicht aussagten.

Wie in der KfsV-Broschüre vom Dezember 2006, Der Kampf für die Freiheit von Mumia Abu-Jamal – Mumia ist unschuldig!, dokumentiert ist, bezeugte ein Ballistikexperte, dass die tödliche Kugel zu Mumias Schusswaffe „passte“ – doch es gibt keine Beweise, dass Mumias Schusswaffe, Kaliber .38, in dieser Nacht überhaupt abgefeuert wurde oder welche Waffe überhaupt benutzt wurde! Der Bericht des Gerichtsmediziners stellt fest, dass Faulkner mit einer Kugel vom Kaliber .44 erschossen wurde. Ein Zeuge der Schießerei, William Singletary, sagte, der Mörder habe Kaliber .22 benutzt. Jahre später meldete sich Arnold Beverly, um den Mord zu gestehen, und sagte, dass die Schusswaffe, die er benutzt hatte, eine .22er gewesen sei. Im Zuge einer groß angelegten Aktion zur Unterschlagung und Fälschung von Beweismaterial verschwand ein Geschosssplitter aus Faulkners Wunde, und es fehlt ein Röntgenbild des Gerichtsmediziners von Faulkners Körper.

Das eindrucksvollste Beweismaterial dafür, dass Sacco und Vanzetti und später Mumia die Verbrechen nicht begangen hatten, für die sie zum Tode verurteilt wurden, waren die Geständnisse von Berufsverbrechern, die sie entlasteten. Und in beiden Fällen wiesen die Gerichte das Beweismaterial zurück.

Im November 1925 ließ Celestino Madeiros, der im Gefängnis von Dedham auf eine Berufung gegen seine Verurteilung von 1924 wegen Mordes an einem Bankwachmann wartete, Sacco eine Nachricht zukommen, die lautete: „Ich gestehe hiermit, dass ich bei dem Verbrechen in der Schuhfabrik von South Braintree dabei war und dass Sacco und Vanzetti bei besagtem Verbrechen nicht dabei waren“ (The Case of Sacco and Vanzetti). Madeiros legte anschließend eine eidesstattliche Erklärung ab, in der er feststellte, dass der Raubüberfall von einer Gruppe ausgeführt worden sei, auf die die Beschreibung der Morelli-Gang zutraf, die wegen einer Reihe von Raubüberfällen auf Güterzüge gesucht wurde, und dass fünf weitere Personen beteiligt gewesen seien. Kurz nach dem Raubüberfall hatte Madeiros 2800 Dollar auf der Bank, was seinem Anteil an den gestohlenen Lohngeldern entsprochen hätte. Zwei Freunde von Madeiros bestätigten später, dass er ihnen die Rolle, die er und die Morellis gespielt hatten, geschildert habe. Viele Jahre später beschrieb Vincent Teresa in seinem Buch My Life in the Mafia [Mein Leben in der Mafia] ein Treffen mit Frank Morelli in den 50er-Jahren, in dessen Verlauf Morelli über einen Artikel des Boston Globe geklagt habe, der seine Bande der Beteiligung an den Braintree-Morden beschuldigte. Morelli sagte ihm: „Was sie sagten, stimmt, aber es wird meinem Kind wehtun.“

Im Jahr 2001 legten Mumias damalige Rechtsanwälte Marlene Kamish und Eliot Grossman den Staats- und Bundesgerichten die eidesstattliche Erklärung Arnold Beverlys vor, dass er und nicht Mumia den Polizeibeamten Faulkner erschossen habe. Laut Beverly wurde er dafür zusammen mit einer anderen Person von den Bullen und dem Mob gedungen, weil Faulkner für korrupte Bullen zum Problem geworden war und sie bei Erpressung, Bestechung, Drogenhandel usw. störte. Beverlys Aussage wird durch einen Berg von Beweisen erhärtet und fügt zuvor ungeklärte lose Enden zusammen. Beverly legte sein beeidetes Geständnis 1999 vor der PDC-Rechtsanwältin Rachel Wolkenstein ab, die damals zu Mumias Verteidigerteam gehörte, aber im selben Jahr ihr Amt niederlegte, als sein Hauptverteidiger Leonard Weinglass zusammen mit Dan Williams Beverlys Geständnis unterdrückte.

Die ILD führte einen harten politischen Kampf gegen jene, die einer Klassenkampfverteidigung Saccos und Vanzettis Hindernisse in den Weg stellten. Bei unseren Bemühungen, auf die Gewerkschaften gestützte Proteste mit der Forderung nach Mumias Freiheit zu mobilisieren auf der Grundlage, dass er unschuldig ist, sind wir heute mit ähnlichen und noch einigen weiteren Hindernissen konfrontiert. Der Fall Saccos und Vanzettis geschah in einer Zeit, die von der Oktoberrevolution geprägt war, die militante Kämpfer rund um die Welt inspirierte und eine scharfe Grenze zog zwischen denjenigen, die die Sowjetunion verteidigten, und denjenigen, die mit den kapitalistischen Herrschern gemeinsame Sache machten. Die heutige Welt ist zutiefst geprägt durch den Einfluss der konterrevolutionären Zerstörung des sowjetischen Arbeiterstaats 1991/92 im Gefolge jahrzehntelangen stalinistischen Verrats. Während die bürgerlichen Herrscher die Lüge vom „Tod des Kommunismus“ verbreiten, bettet der Großteil der Linken, die sich im allgemeinen den antisowjetischen Kampagnen der Imperialisten angeschlossen hatten, ihre politischen Aktivitäten fest in das Gefüge der „demokratischen“ kapitalistischen Ordnung ein.

Während es bei Saccos und Vanzettis Fall die Staatsanwaltschaft war, die das Geständnis von Madeiros verteufelte, bewerfen heute viele Liberale und reformistische Linke unter Mumias Verteidigern das Beverly-Geständnis mit Schmutz und ziehen selbst Mumias eigene Erklärung von 2001 in Zweifel, dass er Daniel Faulkner nicht erschossen hat. Repräsentativ für diese Sorte von Leuten ist David Lindorff, dessen Buch Killing Time: An Investigation Into The Death Row Case of Mumia Abu-Jamal (2003) der Demontage des Beverly-Geständnisses gewidmet ist. Lindorff erklärt: „Ich bin nicht davon überzeugt, dass Mumia Abu-Jamal einfach nur ein argloser Zuschauer war“, und zieht den Schluss, Mumia habe möglicherweise Faulkner erschossen (siehe: „Klassenkämpferische Verteidigung kontra Vertrauen in kapitalistische Justiz – David Lindorffs Killing Time, Michael Schiffmanns Wettlauf gegen den Tod: Unterminierung von Mumias Kampf um Freiheit“, Spartakist-Extrablatt, 23. Juni 2007).

Warum sollten Mumias vorgebliche Verteidiger das Beverly-Geständnis angreifen? Das Beverly-Beweismaterial macht deutlich, dass die Ungerechtigkeit gegenüber Mumia nicht die Tat eines einzelnen schurkischen Bullen, Staatsanwalts oder Richters war, sondern die völlig normale Arbeitsweise des kapitalistischen Unrechtssystems. Dieses Verständnis widerspricht unmittelbar dem liberalen Bezugsrahmen von Lindorff & Co., die sich genau dieses „Rechts“system zu eigen machen, das auf jeder Ebene erklärt hat, wie in dem berüchtigten Dred-Scott-Fall, dass Mumia keine Rechte hat, die es respektieren muss. Die mit bürgerlichem Liberalismus getränkten Gruppen Socialist Action, Workers World Party und andere Reformisten halfen, die einst machtvolle Protestbewegung zu demobilisieren, indem sie die Forderung nach Mumias Freiheit der Forderung nach einem neuen Prozess unterordneten. Damit versuchten sie an jene im „Mainstream“ zu appellieren, die die Justizhölle, durch die Mumia geschickt wurde, als einen Schandfleck für das Ansehen der amerikanischen „Recht“sprechung betrachten.

Der politische Kampf gegen derartige Illusionen in die kapitalistische „Recht“sprechung muss gewonnen werden, wenn die soziale Macht der Arbeiterschaft für Mumia ins Feld geführt werden soll. Viele Gewerkschaften und gewerkschaftliche Organisationen haben ihre Unterstützung für Mumia zum Ausdruck gebracht. Doch um diese Stimmung in Gewerkschaftsproteste und Streikaktionen umzuwandeln, bedarf es eines Kampfes gegen die Politik der prokapitalistischen Gewerkschaftsführer, die in der Regierung und den politischen Parteien der Bosse „Freunde“ sehen. Wir kämpfen für eine klassenkämpferische Verteidigungsstrategie, die kein Vertrauen in die Gerechtigkeit der Gerichte setzt und alles Vertrauen in die Macht der Arbeiter. Damit ehren wir das Andenken von Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti.

Die anarchistischen Arbeiter Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti, die in den Strudel der immigrantenfeindlichen und antikommunistischen Hysterie geraten waren, die die USA im Gefolge der Russischen Revolution vom Oktober 1917 überzog, wurden im Mai 1920 verhaftet und aufgrund abgekarteter Anklagen wegen Mordes und Raubes, deren sie offenkundig nicht schuldig waren, verurteilt. In einem Artikel, geschrieben nach ihrer Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl in Massachusetts am 23. August 1927, erklärte James P. Cannon, damals ein Führer der Workers Party und Sekretär der International Labor Defense (ILD, in Deutschland Rote Hilfe) und später Gründer des amerikanischen Trotzkismus:

„Die elektrischen Flammen, die die Körper von Sacco und Vanzetti verzehrten, erhellten Zehntausenden Arbeitern die wahre Natur kapitalistischer Justiz in Amerika in all ihrer schonungslosen Brutalität. Einkerkerung, Folter und Mord von Arbeitern werden jetzt klarer erkannt als Teil eines organisierten Systems der Klassenverfolgung.“ („A Living Monument to Sacco and Vanzetti“ [Ein lebendiges Monument für Sacco und Vanzetti], Labor Defender, Oktober 1927)

Mit Hinweis auf die Rolle der ILD als Führungs- und Organisationszentrum einer Protestbewegung, die Millionen von Arbeitern rund um die Welt hinter der Sache Saccos und Vanzettis versammelte, rief Cannon dazu auf, „eine stärkere, geeintere und entschlossenere Bewegung zur Arbeiterverteidigung auf einer Klassenbasis“ aufzubauen. Er bemerkte, dass „die Industrieherren Amerikas“, die die Hinrichtungen durchgeführt hatten, um der gesamten Arbeiterbewegung einen Schlag zu versetzen, „nicht ohne Verbündete, bewusste oder unbewusste, im Lager der Arbeiter selbst waren“. „Sacco und Vanzetti wären umsonst gestorben“, schrieb er, „wenn nicht die wahre Bedeutung und die Ursachen ihres Martyriums mit all ihren Schlussfolgerungen verstanden werden“. Diese Lehren sind in der Tat von entscheidender Wichtigkeit für den Kampf gegen kapitalistische Unterdrückung heute und stellen sich mit besonderer Dringlichkeit im Kampf für die Freiheit von Mumia Abu-Jamal, der trotz schwerwiegender Beweise für seine Unschuld wegen seiner politischen Ansichten und seines lebenslangen Kampfes gegen die Unterdrückung der Schwarzen in die Todeszelle verfrachtet wurde.

Die Verteidigungsbewegung

Da außerhalb der Region von Boston über ihre Verhaftungen wenig bekannt war, beschränkte sich die Verteidigung von Sacco und Vanzetti anfangs auf eine lokale Gruppe italienischer Anarchisten, die das Sacco-Vanzetti-Verteidigungskomitee gründeten. Das Verteidigungskomitee gewann die Unterstützung von Elizabeth Gurley Flynn, einer bekannten Radikalen, und ihres Lebensgefährten Carlo Tresca, eines Anarchosyndikalisten, der die Zeitung Il Martello in New York herausgab. Die beiden IWW-Mitglieder halfen, Fred Moore, der eine lange Geschichte der Verteidigung militanter Gewerkschafter und Radikaler hatte, dazu zu bewegen, den Fall als Hauptverteidiger zu übernehmen.

Moore appellierte an IWW-Mitglieder, Gewerkschaftsführer und Sozialisten, für die Verteidigung Saccos und Vanzettis zu mobilisieren. Die American Civil Liberties Union, zu deren Gründungsmitgliedern Flynn gehörte, und ihr Ableger in Neuengland äußerten ihre Unterstützung, wie auch eine Reihe prominenter Liberaler, besonders die Journalisten Elizabeth Glendower Evans und Gardner Jackson. Verschiedene Gewerkschaften und sogar die konservativen Führer der American Federation of Labor (AFL) bekannten sich öffentlich zur Verteidigung der beiden Arbeiter. Als Sacco und Vanzetti im Mai 1921 vor ihrem Prozess standen, beteiligten sich mehr als 64 Gewerkschaftsortsgruppen aus dem ganzen Land an ihrer Verteidigung, und eine Lawine der Arbeiterunterstützung fegte nach ihrer Verurteilung im Juli durch das Land. Wie wir weiter oben feststellten, riefen die KP und die Kommunistische Internationale (KI) zu einer weltweiten Protestkampagne mit Schwerpunkt auf der Arbeiterklasse auf. Die AFL verabschiedete 1922 eine Resolution, in der sie einen neuen Prozess forderte, und erklärte zwei Jahre später Sacco und Vanzetti zu „Opfern von Rassen- und nationalen Vorurteilen und von Klassenhass“.

In einer ILD-Streitschrift von 1927 beschrieb Max Shachtman die breit gefächerte Unterstützung für Sacco und Vanzetti in der Arbeiterbewegung und bemerkte:

„Bei vielen von ihnen war es, weil sie den Klassencharakter der mit diesem Fall verbundenen Fragen erkannten; dass es nicht nur ein versehentlich vorgekommener ,Justizirrtum‘ war, sondern dass der Richter, die Jury und der Staatsanwalt der Arbeiterbewegung einen genauso schweren Schlag versetzten wie vor 35 Jahren in dem Prozess gegen die Haymarket-Märtyrer. Bei den anderen war es das Ergebnis der Stimmung und des Drucks der Massen, so dass sie eine, wenn auch vage, Klassenverwandtschaft mit den beiden Agitatoren verspürten.“ (Sacco and Vanzetti – Labor’s Martyrs [Märtyrer der Arbeiterbewegung])

Gemäß der damals in Massachusetts üblichen gerichtlichen Verfahrensweise wurde die Strafverkündung zurückgestellt, bis alle auf den Prozess folgenden Anträge und Berufungen entschieden waren. Obgleich es für jeden klar war, dass der Schuldspruch wegen Mordes nur eine Verurteilung zum Tode nach sich ziehen konnte, wurde diese Strafe erst 1927 ausgesprochen. Saccos und Vanzettis Verteidiger versuchten in der Zwischenzeit, das Urteil durch eine Reihe von Anträgen vor demselben voreingenommenen Richter Webster Thayer aufheben zu lassen, der bei dem manipulierten Prozess den Vorsitz innegehabt hatte, und durch Berufungen vor dem Obersten Gerichtshof von Massachussetts, der jeden Schritt Thayers absegnete.

Thayer lehnte den ersten Berufungsantrag für einen neuen Prozess an Heiligabend 1921 ab. Schon im Vormonat und dann während der folgenden zwei Jahre wurde von der Verteidigung eine Reihe von sechs Zusatzanträgen eingereicht. Im Juli 1924, während diese Anträge noch anhängig waren, trat Moore als Verteidiger in dem Fall zurück. Mit seiner Ersetzung durch William Thompson änderte sich auch die Taktik des Sacco-Vanzetti-Verteidigungskomitees. Wie in Bruce Watsons Sacco and Vanzetti: The Men, the Murders, and the Judgement of Mankind [Sacco und Vanzetti: die Männer, die Morde und das Urteil der Menschheit] erzählt wird, erklärte Thompson rundheraus, er glaube nicht, dass „die Regierung mit ihrer Anklage gegen sie irgendwelche hintergründigen Absichten verfolgt habe“. Thompson verachtete die Massenprotestbewegung und appellierte stattdessen an etablierte Kreise von Justiz und Geschäftsleben, ihren Einfluss bei Gerichten und Parlament geltend zu machen.

Das Bostoner Verteidigungskomitee rief seinerseits dazu auf, die Arbeiterprotestaktionen zu beenden. Wie Shachtman in seiner Streitschrift schilderte, half diese Strategie, für die nächsten zwei Jahre „die ehrliche und machtvolle Klassenunterstützung der Werktätigen zu diskreditieren… Sie forderten die Ersetzung der Bewegung der Massen durch die Bewegung der Rechtsanwälte“. Shachtman betonte: „Die Verteidigung verließ sich mehr und mehr auf diese falschen Freunde, denen mehr an der Verteidigung des ,Vertrauens in unsere Institutionen und ihre Fähigkeit, Irrtümer zu korrigieren‘, gelegen war und an den ,hohen Standards, die der Stolz der Justiz von Massachusetts sind‘, als an der Verteidigung zweier unbekannter Emigranten“.

Auf Grundlage des marxistischen Verständnisses, dass die Gerichte, Bullen, Gefängnisse und die bewaffneten Streitkräfte Kernbestandteile des kapitalistischen Staates sind – eine Maschinerie organisierter Gewalt zum Schutz der Herrschaft und der Profite der Ausbeuterklasse –, kämpften KP und ILD unermüdlich gegen Illusionen in das manipulierte Justizsystem der Kapitalisten. Sie kämpften dafür, dass die Arbeiter nur ihrer eigenen Klassenmacht vertrauen, die sich davon ableitet, dass es ihre Arbeit ist, die den Reichtum der Gesellschaft hervorbringt. Bryan Palmers wichtige neue Biografie James P. Cannon and the Origins of the American Revolutionary Left, 1890–1928 [James P. Cannon und die Ursprünge der amerikanischen revolutionären Linken] von 2007 enthält eine umfassende Darstellung von Cannons Führung in der ILD, nicht zuletzt bezüglich seiner Verteidigungsanstrengungen für Sacco und Vanzetti.

Die KP und die ILD waren entschlossen zu verhindern, dass Sacco und Vanzetti der langen Liste von Märtyrern der Arbeiterbewegung hinzugefügt würden. Sie begriffen, dass die Mobilisierung der Macht der Arbeiterbewegung zu Protest- und Streikaktionen die bürgerlichen Herrscher dazu zwingen konnte, aus Furcht vor den sozialen Kosten, die eine Hinrichtung oder lebenslängliche Einkerkerung der beiden Männer haben würde, einzulenken. Und sie kämpften auch dafür, Militante mit dem Bewusstsein zu erfüllen, dass, um die Gefängnismauern der Kämpfer gegen Ausbeutung und Unterdrückung ein für allemal niederzureißen, eine sozialistische Revolution notwendig ist, die den kapitalistischen Staat zerstört und ihn durch einen Arbeiterstaat ersetzt, in dem diejenigen, die arbeiten, herrschen. Darin folgten sie dem Weg, den der bolschewistische Führer W. I. Lenin vorgezeichnet hatte, der in seinem Werk Was tun? von 1902 schrieb, dass das Ideal des Kommunisten „nicht der Sekretär einer Trade-Union, sondern der Volkstribun sein muß, der es versteht, auf alle Erscheinungen der Willkür und Unterdrückung zu reagieren, wo sie auch auftreten mögen, welche Schicht oder Klasse sie auch betreffen mögen, der es versteht, an allen diesen Erscheinungen das Gesamtbild der Polizeiwillkür und der kapitalistischen Ausbeutung zu zeigen, der es versteht, jede Kleinigkeit zu benutzen, um vor aller Welt seine sozialistischen Überzeugungen und seine demokratischen Forderungen darzulegen, um allen und jedermann die welthistorische Bedeutung des Befreiungskampfes des Proletariats klarzumachen.“

Schlacht der Klassenkräfte

Im Oktober 1924 lehnte Richter Thayer alle Anträge, die von Saccos und Vanzettis Anwälten eingereicht worden waren, ab. Im Dezember veröffentlichte die Kommunistische Internationale einen Appell „An die Arbeiter alle Länder! An alle Gewerkschaftsorganisationen!“ und rief auf: „Organisiert Massendemonstrationen! Fordert die Freiheit von Sacco und Vanzetti!“ Der Daily Worker, Zeitung der Workers (Communist) Party, verbreitete diesen Kampf weiterhin, und die Partei organisierte am 1. März 1925 eine Arbeiterkundgebung für Sacco und Vanzetti in Chicago und mobilisierte intensiv für Kundgebungen in Boston und anderen Städten an diesem Tag. Kurz nach ihrer Gründung in diesem Jahr gab die ILD einen internationalen Aufruf an die Arbeiter heraus, Solidarität mit Sacco und Vanzetti zu zeigen. In einem Brief an die ILD vom 23. Mai 1926 schrieb Vanzetti: „Das Echo eurer Kampagne für uns rührte mein Herz“.

Gegen Thayers Entscheidung von 1924 wurde vor dem Obersten Gerichtshof von Massachusetts Berufung eingelegt, der den Fall verschleppte, bevor er am 12. Mai 1926 die Schuldsprüche bestätigte. Zwei Wochen später reichten Verteidiger einen weiteren Antrag auf einen neuen Prozess ein auf der Grundlage der eidesstattlichen Erklärung von Celestino Madeiros, in der er seine Beteiligung an dem Raubüberfall, der zu den Mordanklagen gegen Sacco und Vanzetti geführt hatte, gestand und die beiden Männer entlastete. Im Oktober wies Thayer das Geständnis von Madeiros zurück zusammen mit eidesstattlichen Erklärungen zweier FBI-Agenten, die die Beteiligung der Regierung an dem Komplott dokumentierten und bestätigten, dass die beiden wegen ihrer politischen Aktivitäten zur Zielscheibe geworden waren. Dies wurde vor dem Obersten Gerichtshof angefochten.

Die gerichtlichen Verhandlungen lösten neuerliche Protestaktivitäten aus. Der Labor Defender brachte im Juli 1926 eine Extraausgabe „Rettet Sacco und Vanzetti“ heraus, in der er „Ein Appell an die amerikanische Arbeiterschaft“ abdruckte, von Eugene V. Debs, dem historischen Sprecher der Sozialistischen Partei. Resolutionen zugunsten von Sacco und Vanzetti wurden von der Washingtoner Federation of Labor und der New Yorker Socialist Party verabschiedet.

Die ILD initiierte Sacco-Vanzetti-Komitees und -Konferenzen überall in den USA und mobilisierte IWW-Militante, Anarchisten und Delegierte der AFL und anderer Gewerkschaftsvereinigungen um die Forderung: „Leben und Freiheit für Sacco und Vanzetti!“ Diese Versammlungen waren eine Anwendung der Einheitsfronttaktik, bei der sich ein breites Spektrum von Arbeiterorganisationen in der Aktion um eine gemeinsame Forderung vereinen, während sie gleichzeitig eine politische Debatte auf Grundlage ihres eigenen Programms führen. Auf diesem Weg versuchte die ILD die Grundlage für Arbeitermassenproteste und -streiks zu legen. Die ILD nahm auch an Kundgebungen teil, zu denen das Bostoner Verteidigungskomitee und andere Organisationen aufgerufen hatten. Cannon schrieb an ein breites Spektrum öffentlicher Persönlichkeiten, um Unterstützungserklärungen für Sacco und Vanzetti zu bekommen. Doch ihr Hauptaugenmerk richtete die ILD auf die Entfesselung von Arbeiterstreiks und -protesten.

In New York umfasste das von der ILD initiierte Sacco-Vanzetti-Notfallkomitee Einzelpersonen und Organisationen, die nahezu eine halbe Million Arbeiter repräsentierten. Vom Komitee organisierte Kundgebungen mobilisierten mehr als 15 000 Teilnehmer am 17. November 1926 in New Yorks Madison Square Garden und weitere 25 000 im darauf folgenden April auf dem Union Square. Ähnlich große Versammlungen wurden von Komitees unter der Führung der ILD in Milwaukee, San Jose, Boston, Denver, Seattle und Chicago organisiert. Im ganzen Land war ein Geflecht von zwei bis drei Millionen Arbeitern in den Komitees eingetragen. Die Internationale Rote Hilfe mobilisierte ihre Organisationen rund um die Welt und rief in Hunderten von Städten Einheitsfrontkomitees ins Leben und organisierte Massenproteste. Millionen Bürger in der gesamten Sowjetunion demonstrierten in Solidarität mit den beiden Klassenkriegsgefangenen.

Thayers Entscheidungen eröffneten eine Periode verschärfter politischer Auseinandersetzungen über das weitere Vorgehen in diesem Kampf, die sich bis zu den Exekutionen hinziehen sollten. Die Sozialistische Partei, die AFL-Führung und die Anarchisten organisierten einigen Arbeiterklassenprotest und mobilisierten gelegentlich beträchtliche Kräfte. Doch solche Anstrengungen standen im Dienste von Appellen, dass Sacco und Vanzetti ihre „gerechte Gerichtsverhandlung“ haben sollten, bewirkt durch Ausnutzung der liberalen öffentlichen Meinung, die hoffte, dass um des „demokratischen“ Ansehens Amerikas willen das Leben der Männer verschont würde. Was die nationale AFL-Führung angeht, so drückte sie, anstatt einen Aufruf zu gewerkschaftlichen Mobilisierungen herauszugeben, auf der AFL-Tagung vom Oktober 1926 eine Resolution durch, die an den Kongress (US-Parlament) appellierte, den Fall zu untersuchen. Die SP- und AFL-Führungen unterminierten die wachsende Mobilisierung der Arbeiter, indem sie sich auf die politischen Agenturen des Klassenfeindes verließen, eine Politik, die begleitet war von einer bösartigen antikommunistischen Verleumdungs- und Ausschlusskampagne.

Die gesamten 20er-Jahre hindurch führte die SP-Führung unter Morris Hillquit, die 1919 die Sozialisten des linken Flügels, die die bolschewistische Revolution unterstützten, hinausgesäubert hatte, eine Kampagne gegen kommunistischen Einfluss in der Arbeiterbewegung durch, die besonders in der Textilindustrie in New York erbittert geführt wurde. Mathew Woll, ein Mitglied des geschäftsführenden Vorstands der AFL, schimpfte, dass die AFL „das erste Angriffsobjekt der kommunistischen Bewegung“ sei. Derselbe Woll war amtierender Präsident der National Civic Federation [Nationale Bürgervereinigung], einer gewerkschaftsfeindlichen Vereinigung von Geschäftsleuten, die sich der Kampagne für Saccos und Vanzettis Freiheit auf bösartige Weise widersetzte.

Im November 1926 weigerte sich die Sozialistische Partei des Staates Ohio, an einer Kundgebung des von der ILD initiierten Sacco-Vanzetti-Verteidigungskomitees teilzunehmen, und der New Leader der SP (18. Dezember 1926) verbreitete lügenhafte Anschuldigungen des Bostoner Verteidigungskomitees, KP und ILD hätten Spenden für die Rechtsverteidigung gesammelt, die nicht weitergereicht und nicht verbucht worden seien. Als Antwort auf diese Verleumdungen veröffentlichte der Labor Defender (Januar 1927) die Bücher der ILD und Kopien der Schecks, die dem Bostoner Komitee übermittelt worden waren. Der Artikel betonte, dass eine frühere Ausgabe des Labor Defender (September 1926) entsprechend seiner üblichen Praxis eine Aufstellung ihrer Einnahmequittungen und der Kosten der ILD-Kampagne abgedruckt hatte und dazu aufgerufen hatte, Spenden für die Rechtsverteidigung besser direkt an das Sacco-Vanzetti-Verteidigungskomitee in Boston zu schicken als an die ILD.

Die Verleumdungen gegen die ILD wurden damals von der bürgerlichen Presse schadenfroh aufgegriffen und werden bis zum heutigen Tag nachgebetet. In seiner Antwort auf die himmelschreiend falsche Anschuldigung, die ILD habe 500 000 Dollar an Spendengeldern für Saccos und Vanzettis Verteidigung in die eigene Tasche gesteckt, bemerkte der Labor Defender (Oktober 1927), dass diese Verleumdung nur „dem Justizministerium und anderen Agenturen, die den Mord an Sacco und Vanzetti vollzogen hatten“, nützen würde, die nun hofften, zu verhindern, dass die Protestbewegung „in den Kampf für die anderen Opfer des Systems abgekarteter Anklagen, die sich jetzt im Gefängnis befinden oder ihrem Prozess entgegensehen, hineingezogen wird“.

Klassenkampfverteidigung

Während der Fall wieder vor dem Obersten Gerichtshof von Massachusetts verhandelt wurde, ging Cannon in „Who Can Save Sacco and Vanzetti?“ [Wer kann Sacco und Vanzetti retten?] (Labor Defender, Januar 1927) auf die sektiererischen Ausschlüsse ein und setzte dem eine Perspektive der Klassenkampfverteidigung entgegen:

„Der Fall Sacco-Vanzetti ist kein privates Monopol, sondern eine Sache des Klassenkampfes, in der das letzte Wort die Massen haben werden, die diesen Kampf zu ihrem eigenen gemacht haben. Es ist daher notwendig, die gegensätzlichen Strategien, die mit verschiedenen Zielen zusammenhängen, offen zu diskutieren.

Die eine Strategie ist die Strategie des Klassenkampfes. Sie legt den Schwerpunkt auf die Protestbewegung der Arbeiter in Amerika und allen anderen Ländern. Sie setzt alles Vertrauen in die Macht der Massen und keinerlei Vertrauen in die Gerechtigkeit der Gerichte. Während sie alle gangbaren rechtlichen Schritte befürwortet, ruft sie zu Agitation, Öffentlichkeitsarbeit, Demonstrationen auf – zu organisiertem Protest auf nationaler und internationaler Ebene. Sie ruft in dieser brennenden Frage zur Einheit und Solidarität aller Arbeiter auf, unabhängig von gegensätzlichen Ansichten in anderen Fragen. Genau das hat bisher die Hinrichtung von Sacco und Vanzetti verhindert. Das Ziel ist kein Geringeres als ihre triumphale Rehabilitierung und Befreiung.

Die andere Strategie ist die Strategie des ,guten Ansehens‘, der ,Zurückhaltung‘ und von absurden Illusionen in die ,Gerechtigkeit‘ der Gerichte des Feindes. Sie verlässt sich hauptsächlich auf rechtliche Schritte. Sie will die Frage des Klassenkampfes verschleiern. Sie schreckt vor den ,vulgären und lärmenden‘ Demonstrationen der militanten Arbeiter zurück und bewirft sie mit dem Dreck der Verleumdung. Sie versucht, das Märtyrertum von Sacco und Vanzetti als einen ,unglücklichen‘ Fehler darzustellen, der durch die ,richtigen‘ Leute, die in der ,richtigen‘ Weise vorgehen, bereinigt werden kann. Das Ziel dieser Strategie ist die Weißwaschung der Gerichte von Massachusetts und ,Gnade‘ für Sacco und Vanzetti, in Form einer Umwandlung in lebenslange Haft für ein Verbrechen, von dem die Welt weiß, dass sie es nicht begangen haben.“

Der Kampf zwischen diesen einander entgegengesetzten Strategien rückte in den Mittelpunkt nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 5. April 1927, die wieder das Urteil des Richters Thayer bestätigte. Vier Tage später trug die Titelseite des Daily Worker einen Appell Cannons, „From Supreme Court of Capital to Supreme Court of the Masses“ [Vom Obersten Gerichtshof des Kapitals zum Obersten Gerichtshof der Massen], in dem er schrieb: „Die Bourbonen Neuenglands gieren nach dem Blut unschuldiger Menschen, dies war von vornherein klar, nur Dummköpfe konnten anderes erwarten. Nur Dummköpfe setzen Vertrauen in die Gerichte des Feindes.“ Cannon fügte hinzu: „Es ist jetzt Zeit, endlich an die Massen zu appellieren. Es ist Zeit, dass die Arbeiter sich zu Wort melden“.

Am 9. April wurden Sacco und Vanzetti zur Verkündung des Strafmaßes in Thayers Gerichtssaal vorgeladen. Die beiden Männer sprachen, ihre Haltung war ungebrochen. Sacco sagte zum Richter: „Ich weiß, es wird ein Urteil sein zwischen zwei Klassen, der Klasse der Unterdrückten und der Klasse der Reichen, und es wird immer wieder Zusammenstöße zwischen der einen und der anderen geben.“ Als Vanzetti an der Reihe war, erklärte er: „Ich muss leiden, weil ich ein Radikaler bin, und ich bin in der Tat ein Radikaler; ich habe gelitten, weil ich ein Italiener war, und ich bin in der Tat ein Italiener … aber ich bin so sehr überzeugt, recht zu haben, dass ich, könnten Sie mich zweimal hinrichten und könnte ich noch zweimal wiedergeboren werden, wieder dafür leben würde, das zu tun, was ich schon getan habe“ (zitiert in Herbert Ehrmann, The Case That Will Not Die [Der nicht totzukriegende Fall], 1969). Sie wurden dazu verurteilt, in drei Monaten zu sterben.

Nach der Strafverkündung gab die ILD einen Aufruf zu einer nationalen Konferenz „aller Elemente, die bereit sind, sich zusammen zu tun, um Freiheit für Sacco und Vanzetti zu fordern und zu erzwingen“, heraus. Am 16. April füllten 20 000 Arbeiter New Yorks Union Square bei einem Protest des von der ILD geführten Sacco-Vanzetti-Notfallkomitees. Im Zuge einer intensiven Anstrengung über die nächsten Wochen wurden von der ILD 500 Erste-Mai-Versammlungen überall in den USA und in Kanada organisiert.

Die Antwort der SP auf die Strafverkündung war, weiterhin falsche Hoffnungen in die bürgerlichen Politiker zu verbreiten. Der New Leader (16. April 1927) schrieb: „Nun liegt es bei Gouverneur Fuller, und da scheint es keinen Zweifel zu geben, dass er der weltweiten Forderung nachgeben muss, zur Rettung des Lebens der beiden Männer in Aktion zu treten“. Die SP erklärte das geplante Hinrichtungsdatum, den 10. Juli, zu „einem nationalen Trauertag für den Tod der amerikanischen Justiz“, während Hillquit an „den Gouverneur und die Regierung des Staates Massachusetts“ appellierte, „eine vollständige und unparteiische Untersuchung des gesamten Falles anzuordnen“ (New Leader, 23. April 1927).

Nachdem SP-Organisatoren von Sacco-Vanzetti-Versammlungen in Philadelphia und Cleveland sich geweigert hatten, Delegierten der ILD und anderer Organisationen einen Podiumsplatz anzubieten, gab Cannon eine Erklärung heraus, abgedruckt im Daily Worker (4. Mai 1927), in der er die Behinderung durch die „Arbeiterreaktionäre“ anprangerte und feststellte, dass es „ihr Ziel ist, die Militanten zu isolieren und dann die Bewegung zu sabotieren“. Da die Sozialdemokraten, Anarchisten und Gewerkschaftsführer daran arbeiteten, die Bemühungen der ILD zu untergraben, scheiterte der Plan, eine nationale Sacco-Vanzetti-Konferenz abzuhalten. Das Bostoner Verteidigungskomitee versuchte, wachsende Stimmung in den Gewerkschaften für eine solche Konferenz dadurch abzufangen, dass es an Gouverneur Fuller appellierte, er solle eine Kommission zur Überprüfung des Falles einsetzen. Am 1. Juni bekamen sie, was sie wollten, als Fuller die Ernennung eines Drei-Mann-Ausschusses bekannt gab, der ihn hinsichtlich des im vorhergehenden Monat eingereichten Gnadengesuchs Vanzettis beraten sollte.

Der Ausschuss wurde geleitet von Harvard-Präsident A. Lawrence Lowell, einem reaktionären Patrizier, der sich für den drakonischen Immigration Quota Act [Einwanderungsquotengesetz] von 1921 stark gemacht hatte, schwarzen Studenten untersagte, in Harvard-Studentenwohnheimen zu wohnen, Einschreibung von Juden in Harvard begrenzte und gegen ein Gesetz auftrat, das Kinderarbeit in der Textilindustrie beschränkte. Diese Vorgeschichte hinderte das Bostoner Komitee nicht daran, den Ausschuss als „Männer, die als Gelehrte angesehen sind, von hoher Intelligenz und von intellektueller Rechtschaffenheit, mit einem von Vorurteilen unbeeinflussten Verstand“ zu loben. Der Ausschuss gab dem Gouverneur den Rat, von seiner Macht zur Strafumwandlung Gebrauch zu machen, denn dies würde „wahrscheinlich das öffentliche Vertrauen in die Gerichte des Commonwealth weit weniger untergraben“. Die SP bekräftigte ihren Glauben, dass „zwar die Mitglieder dieses Ausschusses Konservative sind, doch wird allgemein angenommen, dass ihre hohe fachliche Stellung genügend Sicherheit bietet, dass sie einen Bericht abliefern werden, der allen Fakten in dem Fall Rechnung trägt“ (New Leader, 9. Juli 1927).

Gerüchte machten die Runde, dass Fuller auf die zunehmenden internationalen Proteste dadurch reagieren würde, dass er die Todesurteile umwandelt. Cannon rief in Erinnerung, wie eine frühere Bewegung für die Klassenkriegsgefangenen Tom Mooney, dem die Hinrichtung drohte, und Warren Billings durch die Umwandlung von Mooneys Todesurteil in lebenslängliche Haft untergraben wurde, und warnte in „Death, Commutation or Freedom?“ [Tod, Strafumwandlung oder Freiheit?] (Labor Defender, Juli 1927): „Die riesige Bewegung für Sacco und Vanzetti, die jetzt Millionen von Arbeitern umfasst, darf sich jetzt nicht selbst durch ein ähnliches Täuschungsmanöver auflösen lassen“. Indem er eine Verurteilung zu lebenslänglich als „lebendig begraben“ bezeichnete, warnte er: „Die Herzen der Scharfrichter von Massachusetts sind nicht vor Güte erweicht, und ihr Verlangen, unsere Genossen zu ermorden, hat sich nicht gewandelt… Die Arbeiterklasse muss antworten: nicht den Todesstuhl, sondern Leben für Sacco und Vanzetti! Nicht todesgleiche Einkerkerung, sondern Freiheit für Sacco und Vanzetti!“

Der politische Kampf erreicht den Siedepunkt

Als der geplante Hinrichtungstermin näher rückte, brachten die Sozialdemokraten ihre antikommunistische Kampagne auf Hochtouren, wobei sie die Verleumdung über die Spendensammlung der ILD wiederkäuten und ihre spalterischen Versuche intensivierten, die KP- und ILD-Militanten auszuschließen. Dies spitzte sich zu bei einer Massenkundgebung von 25 000 Arbeitern am 7. Juli auf dem Union Square. Organisiert von dem auf die Arbeiterbewegung gestützten Sacco-Vanzetti Liberation Committee (SVLC), folgten an diesem Tag über 30 Gewerkschaften dem Aufruf zu einem einstündigen Proteststreik und mobilisierten dafür eine halbe Million Arbeiter. Die ILD und ihr Notfallkomitee mobilisierten intensiv für den Protest, wobei sie 200 000 Flugblätter verteilten. Die Kundgebung fand statt, trotz der Gewährung eines einmonatigen Strafaufschubs durch Gouverneur Fuller.

Bei Verhandlungen vor der Kundgebung hatte das SVLC zugestimmt, dass es vier Rednertribünen geben würde, von denen zwei dem Notfallkomitee zugewiesen würden. Doch die SP hatte andere Pläne, und es wurden nur zwei Rednertribünen aufgebaut, die beide von der SP kontrolliert wurden. Nachdem eine Reihe sozialistischer Redner zu der Menge gesprochen hatte, hob eine Gruppe von Arbeitern Ben Gold, ein KP-Mitglied, das einen erfolgreichen Kürschnerstreik angeführt hatte, auf ihre Schultern. Als sie an der Rednertribüne ankamen und forderten, Gold sollte eine Rede halten, trat ihm SP-Boss Abraham Weinberg gegen die Brust, so dass er in die Menge taumelte. Als die Arbeiter Gold zur anderen Rednertribüne trugen, griff ihn der SP-Bonze August Claesens ebenfalls an.

Claesens und Weinberg riefen dann die Polizei, die mit Pferden in die Menge ritt und die Kundgebung gewaltsam auflöste. Nach dem Angriff gaben SP-Sprecher eindeutig zu verstehen, dass der Ausschluss der Roten absoluten Vorrang habe vor der Durchführung einer gemeinschaftlichen Aktion zur Verteidigung Saccos und Vanzettis. Samuel Friedman von der SP erklärte unverblümt: „Lieber lassen wir die Versammlung gewaltsam auflösen, als dass ein Schwindler wie Gold eine Rede hält“ (Daily Worker, 8. Juli 1927). Der New Leader (16. Juli 1927) erklärte, dass wegen „bekannter Gegensätze“ und „wegen Vorwürfen von Fehlverhalten … beschlossen wurde, die Kommunisten nicht zur Mitarbeit in den Versammlungen zuzulassen“.

Die Ausschlusspolitik der SP diente einzig und allein dazu, die Bewegung angesichts eines wütenden Angriffs des bürgerlichen Staates zu schwächen. Als der neue Hinrichtungstermin, der 10. August, näher rückte, half die ILD, eine vom Bostoner Verteidigungskomitee organisierte Protestveranstaltung am 31. Juli im Boston Common aufzubauen. Wie im New Leader (13. August 1927) geschildert, lösten die Bullen die von der SP geführte Kundgebung am einen Ende des Common gewaltsam auf, die meisten Demonstranten liefen in einen anderen Teil des Parks, für den die Kommunisten eine Erlaubnis erhalten hatten. Auch diese Kundgebung wurde von den Bullen auseinandergetrieben. Im ganzen Lande lösten Bullen Protestversammlungen mit Schlagstöcken, Schusswaffen und Tränengas auf.

Gouverneur Fuller lehnte am 3. August das Gnadengesuch ab. Am nächsten Tag gab das Notfallkomitee der ILD einen Aufruf zu einem halbtägigen Streik der New Yorker Arbeiterschaft am 9. August heraus. Die Gewerkschaftsoberen taten ihr Bestes, den Streik zu sabotieren, wobei die AFL-Führung die Aufforderung zahlreicher Gewerkschaften und anderer Arbeiterorganisationen zum Handeln zurückwies und viele örtliche Gewerkschaftsfunktionäre in der kapitalistischen Presse bekannt gaben, dass sie gegen den Streik seien. Dennoch kamen 50 000 zum Union Square, und weitere 50 000 streikten in Philadelphia. Auf eine Protestveranstaltung mit 20 000 Teilnehmern in Chicago am selben Tag wurde von den Bullen geschossen. Fullers Ablehnung trieb schließlich AFL-Chef William Green zur „Aktion“, er schrieb Fuller, um ihn um einen „Gnadenerlass“ zu ersuchen. Wie der Daily Worker (10. August) kommentierte, würde ein Appell Greens an die AFL-Gewerkschaften „ungeheuer dabei helfen, dem Scharfrichter in den Arm zu fallen! Aber ein Appell an Fuller, abgefasst in so honigsüßen Worten, wie Green sie benutzt, wertet diesen niederträchtigen Feind der Arbeiterschaft in den Augen seiner Klasse nur auf und sanktioniert indirekt die Morde“.

Als die Stunde der Hinrichtung nahte, gab es eine weltweite Protestwelle. In den USA gingen Polizeikräfte brutal gegen die Demonstranten vor: Büros in New York, Detroit und San Francisco wurden überfallen und Versammlungen gewaltsam aufgelöst. In der Nacht vom 10. auf den 11. August patrouillierten Wagen mit schwer bewaffneten Bullen durch Chicago und lösten gewaltsam jede Versammlung von mehr als einem Dutzend Arbeitern auf. Am gleichen Tag hatte der Richter des Obersten US-Gerichtshofs Oliver Wendell Holmes, ein Liebling der Liberalen, eine Habeas-Corpus-Petition für Sacco und Vanzetti abgewiesen, und kurz vor Mitternacht wurden sie ins Hinrichtungsgebäude gebracht. Eine halbe Stunde vor der vorgesehenen Hinrichtungszeit gab Fuller einen Strafaufschub bis zum 22. August Mitternacht bekannt, um ihrem Verteidiger die Möglichkeit zu geben, einen neuen Antrag vor dem Obersten Gerichtshof von Massachusetts vorzubringen.

Am 16. August, dem Tag der Anhörung, kündigte die ILD in 200 Städten geplante Proteste an. Der Daily Worker vom 18. August brachte auf der Titelseite einen Appell Cannons unter dem Titel „Keine Illusionen“, der die arbeitenden Massen warnte, „sich nicht von falschen Hoffnungen und trügerischer Sicherheit täuschen zu lassen“. Er betonte:

„Es ist deshalb die große Aufgabe in den wenigen verbleibenden schicksalhaften Tagen bis zur letzten Minute der letzten Stunde, alle Energie, allen Mut und allen Kampfgeist in die Organisierung von Massendemonstrationen und Proteststreiks zu legen. Alles, was diese Bewegung bremst, muss als größte Gefahr betrachtet werden. Alle Illusionen, die die Bewegung lähmen, müssen überwunden werden. Alle Agenten der Bosse, die die Protest- und Streikbewegung zu sabotieren und zu diskreditieren versuchen, müssen als solche benannt werden.“

Ein weiterer Titelseiten-Aufruf Cannons am folgenden Tag erklärte: „Setzt kein Vertrauen auf die kapitalistische Justiz! Organisiert die Protestbewegung in noch größerem Maßstab und in noch entschlossenerem Geiste! Demonstriert und streikt für Sacco und Vanzetti!“ Als der Oberste Gerichtshof von Massachusetts am 19. August einen weiteren Antrag abwies, rief das Notfallkomitee zu einem Massen-Proteststreik am 22. August auf.

Am 20. August lehnte es Wendell Holmes ab, die Hinrichtung auszusetzen, und ein ähnliches Ersuchen wurde vom Richter des Obersten Gerichtshofs Harlan Stone am 22. August abgewiesen. Millionen gingen weltweit auf die Straße. Doch Sacco und Vanzetti wurden kurz nach Mitternacht hingerichtet.

Ein Berg von Verleumdungen

80 Jahre nach diesem legalen Lynchmord käuen verschiedene bürgerliche Journalisten und Akademiker immer noch längst widerlegte Lügen über den Fall wieder. Einige stellen es so dar, als wären die beiden militanten Arbeiter gewöhnliche Kriminelle gewesen, des kaltblütigen Mordes schuldig. Andere wärmen die Lüge auf, dass Sacco im Gegensatz zu Vanzetti nie seine Unschuld an den Morden erklärt habe. Nicht nur, dass er genau dies in zahlreichen Briefen, die veröffentlicht worden sind, getan hat, sondern seine Unschuldserklärung wurde auch noch von einem Spitzel, den das FBI in der Nachbarzelle postiert hatte, aus dem Gefängnis gebracht!

Am 24. Dezember 2005 berichtete die Los Angeles Times über die „Entdeckung“ eines Briefes Upton Sinclairs von 1929, den er nach der Beendigung von Boston, seinem Roman über den Fall, geschrieben hatte. Sinclair schrieb, er habe sich mit Fred Moore getroffen, der ihm erzählt habe, dass Sacco und Vanzetti schuldig gewesen seien und dass er für sie Alibis fabriziert habe. Die Nachricht von dem Sinclair-Brief wurde von Jonah Goldberg aufgegriffen, einem Redakteur der rechtsgerichteten National Review, und fand ein Zuhause in verschiedenen Blogs. Dies war in Wirklichkeit eine alte Nachricht. Sinclair hatte 1953 über die Debatte geschrieben und betont, dass Moore klargestellt habe, dass weder Sacco noch Vanzetti vor ihm ein Geständnis abgelegt haben und dass er keinen Beweis für ihre Schuld habe. Laut der Ex-Frau Moores wurde er verbittert, nachdem er den Fall abgegeben hatte. 1963 schrieb Sinclair: „Diejenigen, die glauben oder erklären, Sacco sei schuldig gewesen, erhalten von mir keine Unterstützung“ (zitiert in Watson, Sacco and Vanzetti).

Die Hauptquelle der Verleumdungen gegen Sacco und Vanzetti und gegen diejenigen, die für sie kämpften, ist eine Clique kalter Krieger um die National Review, die 1955 von William F. Buckley Jr. gegründet worden war und deren langjähriger Chefredakteur der übergelaufene Ex-Trotzkist James Burnham war. Zu einer Zeit, als es allgemein anerkannt war, dass Sacco und Vanzetti unschuldige Opfer eines Komplotts gewesen waren, behauptete Max Eastman 1961 in einem Artikel in der National Review, der Anarchist Carlo Tresca habe ihm 1942 gesagt: „Sacco war schuldig, aber Vanzetti nicht“. Eastman war früher ein Redakteur der linksgerichteten Masses gewesen, aber zum Zeitpunkt seiner angeblichen Unterhaltung mit Tresca war er ein bösartiger Antikommunist geworden. In den 50er-Jahren war Eastman ein strammer Unterstützer des Hexenjägers Senator Joe McCarthy und des Ausschusses für unamerikanische Umtriebe (HUAC).

Ein Jahr nach Eastmans Artikel erschien das Buch Tragedy in Dedham [Tragödie in Dedham] von Francis Russell, einem regelmäßigen Mitarbeiter der National Review. Russell behauptete, dass „nach seinem Ausschluss aus der Partei James Cannon … privat zugegeben haben soll – genauso wie Moore es getan hat –, dass er das Gefühl habe, Sacco sei schuldig gewesen“. (Cannon wurde 1928 zusammen mit Max Shachtman und Martin Abern aus der KP ausgeschlossen, weil sie Leo Trotzkis Kritik an der Stalin-Bucharin-Führung der degenerierenden Kommunistischen Internationale unterstützten.) Russell nannte später Burnham als die Quelle dieser Geschichte.

Cannon antwortete in einem Brief an die New Republic (27. April 1963): „Die Wahrheit ist, dass ich nie das Gefühl gehabt oder gedacht habe, dass Sacco schuldig war. Ich bin immer der Meinung gewesen, dass sie unschuldig waren, und habe nie eine andere Meinung oder ein anderes Gefühl geäußert, sei es privat oder öffentlich, nirgendwo und zu keiner Zeit.“ Zur Verteidigung „des Andenkens Carlo Trescas“, eines Freundes Cannons, der mit ihm in der Sacco-und-Vanzetti-Kampagne eng zusammengearbeitet hatte, fügte er hinzu: „Nie, zu keiner Zeit, habe ich ihn Zweifel über die Unschuld Saccos und Vanzettis bekunden oder auch nur andeuten hören. Und ich habe niemals einen Bericht oder ein Gerücht oder Klatsch von irgendjemand anderem gehört, der je so etwas über Tresca gehört hatte, bis mir Mr. Russells Behauptung ins Auge sprang.“

Es unterliegt keinem Zweifel: Die Geschichte dieses Falles umzuschreiben bezweckt nicht nur die Zerstörung des Andenkens der beiden Anarchisten, sondern die Verleumdung von Arbeitermilitanz und revolutionärer proletarischer Opposition gegen das bluttriefende kapitalistische System – d. h. die Verleumdung des Kommunismus. Liberale „Verteidiger“ von Sacco und Vanzetti haben sich an der Wiederaufwärmung der Angriffe auf die ILD und die frühe KP beteiligt. In ihrem Buch The Never-Ending Wrong [Das nicht enden wollende Unrecht] von 1977 behauptete Katherine Anne Porter, dass kurz vor den Hinrichtungen ein Kommunist zu ihr gesagt habe: „Wer will, dass sie gerettet werden? Was würden sie uns lebendig überhaupt nützen?“ Zusammen mit den Lügen über Geld und anderen antikommunistischen Verleumdungen wird dies in Watsons Sacco and Vanzetti für bare Münze genommen. Watson schreibt über die entscheidenden letzten Wochen: „Als die Parteimitglieder zunehmend schriller tönten, erschreckte ihre Gefühllosigkeit aufrichtige Unterstützer. Ohne Zweifel, erinnerte sich Gardner Jackson, hätten die Kommunisten, die in Scharen nach Boston kamen, ,Sacco und Vanzetti lieber tot gesehen als lebendig‘.“ Watson verkündet: „Sacco und Vanzetti waren für die Kommunisten weit nützlicher als die Kommunisten für sie.“

Auf dem Höhepunkt des Kampfes zur Rettung Saccos und Vanzettis wandte sich die KP gegen jeden in der Bewegung, der einwandte, ihre Hinrichtung würde letztendlich als ein Vorteil auf die Arbeiterklasse zurückfallen: „Den Arbeitern, die so eine Meinung vertreten, muss bewusst gemacht werden, das Märtyrer ein Eingeständnis der Schwäche auf Seiten der arbeitenden Massen sind. Die Tatsache, dass die Bosse ungestraft unsere Führer ins Gefängnis verfrachten oder umbringen können, wird in ihren Händen zu einer Waffe der Einschüchterung und trägt dazu bei, die weniger militanten Massen zu verängstigen und unterwürfig zu halten… Je mächtiger die Arbeiterbewegung wird, je effektiver sie bei der Durchsetzung ihrer Forderungen ist, desto weniger Märtyrer wird sie haben“ (Daily Worker Magazine, 28. Mai 1927).

Mumia und die Klassenkampfverteidigung

Der Fall von Sacco und Vanzetti enthält wichtige Lehren für den Kampf für die Freiheit des Klassenkriegsgefangenen Mumia Abu-Jamal, der zum Tode verurteilt wurde, nachdem er für den Mord 1981 an dem Polizeibeamten Daniel Faulkner aus Philadelphia zu Unrecht schuldig gesprochen worden war. Wie schon festgestellt, befindet sich unter dem überwältigenden Beweismaterial für Mumias Unschuld das unter Eid abgelegte Geständnis Arnold Beverlys, dass er, nicht Mumia, Faulkner erschossen hat. Wie im Falle des Madeiros-Geständnisses, das Sacco und Vanzetti entlastete, weigerten sich die Gerichte, das Beverly-Geständnis und unterstützendes Beweismaterial anzuhören.

Das Partisan Defense Committee hat weltweit Erklärungen von Hunderten prominenter Persönlichkeiten und von Arbeiterführern und -organisationen erhalten, die Mumias Freiheit fordern auf der Grundlage, dass er unschuldig ist und Opfer eines rassistischen, politischen Komplotts. Während Mumias Fall in seine letzten Stadien eintritt, ist es von entscheidender Wichtigkeit, dass solche Erklärungen in Arbeiteraktionen umgesetzt werden. Doch damit dies geschieht, ist es notwendig, jene Art von hartem politischem Kampf zu führen, den die KP und die ILD gegen die reaktionären Gewerkschaftsführer wie auch gegen all jene „Sozialisten“ geführt haben, die eine Klassenkampfverteidigung durch das Säen von Illusionen in das kapitalistische Unrechtssystem verhindern. Unter Mumias vorgeblichen Verteidigern sind einige linke Gruppen, die die reformistische Perspektive und Strategie der SP der 20er-Jahre wiederholen, aber nicht wie sie eine derartige Basis in der Arbeiterklasse besitzen. Ein typisches Beispiel ist Jeff Macklers Socialist Action, die nichts so sehr repräsentiert wie den New Leader von heute.

Während Cannon vor Illusionen in die Richter in schwarzen Roben warnte, bejubelte Mackler die Ankündigung des Dritten Bundesberufungsgerichts vom Dezember 2005, nur drei von Mumias zwei Dutzend Eingaben anzuhören, als „eine Entscheidung, die das juristische Establishment Pennsylvanias wahrscheinlich verblüffen wird“, und vertrat die Auffassung, dass es wenig wahrscheinlich sei, dass das Gericht die Todesstrafe wiedereinsetzen werde (Socialist Action, Dezember 2005). Als Nachhall auf das Lob des New Leader auf die „hohe fachliche Stellung“ der Lowell-Kommission schrieb Mackler in Socialist Action (Juni 2007) über die mündliche Aussprache vor dem Dritten Bundesbezirksgericht im Monat zuvor, dass verschiedene Entscheidungen, die in anderer Hinsicht für Mumias Fall von Bedeutung sind, „dieses Gericht als eine der wenigen verbliebenen ,liberalen‘ Rechtsinstitutionen des Landes kennzeichneten“. Mackler ist Mitkoordinator der Mobilization to Free Mumia Abu-Jamal, die einen Musterbrief anbietet, der an den Demokraten Edward Rendell, Gouverneur von Pennsylvania, geschickt werden soll und der endet: „Wir bitten Sie dringend einzugreifen und zu garantieren, dass Gerechtigkeit geübt wird.“ Dies ist derselbe Ed Rendell, der als Staatsanwalt Philadelphias in den Jahren 1981/82 Mumia angeklagt hat!

Wir ehren Sacco und Vanzetti, indem wir in der klassenkämpferischen Tradition der ILD für das Leben und die Freiheit Mumia Abu-Jamals kämpfen. Als Mumia im August 1995 vor einem Hinrichtungstermin stand, spielte eine internationale Protestwelle, an der Gewerkschafter entscheidenden Anteil hatten, eine wichtige Rolle bei der Entscheidung des Gerichts, eine Aussetzung der Hinrichtung zu bewilligen. Gleichzeitig versuchten Liberale und Reformisten, diesen Kampf in das Fahrwasser des Vertrauens auf das rassistische bürgerliche Rechtssystem zu lenken, um „Gerechtigkeit“ für Mumia zu bekommen. Und es war diese liberale Strategie des Vertrauens auf die kapitalistischen Gerichte, die Mumias Armee von Unterstützern rund um die Welt demobilisiert hat. Heute stellt sich die Notwendigkeit, die Bewegung für Mumias Freiheit wieder zu beleben, ganz direkt. Wie wir in „Klassenkämpferische Verteidigung kontra Vertrauen in kapitalistische Justiz“ (Spartakist-Extrablatt, 23. Juni 2007) schrieben: „In der Tat, die Macht der Arbeiter muss für Mumia eingesetzt werden. Doch es versteht sich von selbst, dass dies nur möglich ist, indem man unabhängig von den Kräften des kapitalistischen Staates mobilisiert, der gegen diesen unschuldigen Mann ein Komplott geschmiedet hat.“