Spartakist Nummer 166

Frühjahr 2007

Rede von Rachel Wolkenstein zum Fall
von Mumia Abu-Jamal

Mobilisiert die Macht der Arbeiterklasse!

Das Komplott gegen einen Unschuldigen

Die dringend erforderlichen Bemühungen zur Wiederbelebung des Kampfes für die Freiheit von Mumia Abu-Jamal waren ein besonderer Schwerpunkt der jährlichen Feiertagsveranstaltungen zur Spendensammlung für Klassenkampfgefangene, die im Dezember abgehalten wurden. Gegen Mumia, der in seiner Jugend ein Sprecher der Black Panther Party war, dann ein MOVE-Unterstützer und ein preisgekrönter Journalist, wurde das Komplott einer falschen Anklage geschmiedet, am 9. Dezember 1981 den Polizeibeamten von Philadelphia Daniel Faulkner getötet zu haben, und Mumia wurde ausdrücklich wegen seiner politischen Ansichten und Aktivitäten zum Tode verurteilt. Während Mumias Fall zurzeit vor dem Dritten Bundesberufungsgericht verhandelt wird, ist der Kampf für seine Freiheit in ein entscheidendes Stadium getreten. Mumias Anwalt Robert Bryan gab vor kurzem in einem Brief an Mumias Unterstützer bekannt, das Gericht habe ihn zwar im November davon in Kenntnis gesetzt, dass die mündliche Verhandlung für den Januar geplant sei, dies sei aber „später widerrufen worden“. Eine Entscheidung könnte binnen Wochen oder Monaten fallen.

Die Feiertags-Spendenveranstaltungen folgten auf eine Reihe von Kundgebungen im Oktober unter den Losungen: „Freiheit für Mumia, sofort! Mumia ist unschuldig! Mumia Abu-Jamals Leben ist in Gefahr – mobilisiert jetzt! Weg mit der rassistischen Todesstrafe!“

Diejenigen, die für Mumias Freiheit kämpfen, müssen die Tiefe des Hasses begreifen, den die kapitalistischen Herrscher für einen Mann empfinden, der als die „Stimme der Entrechteten“ bekannt ist. Den unerbittlichen Rachefeldzug des kapitalistischen Staates gegen diejenigen, die für die Freiheit der Schwarzen kämpfen, sah man letzten Monat bei der Verhaftung von acht ehemaligen Mitgliedern der Black Panther Party aufgrund von Anklagen, vor mehr als 30 Jahren einen Bullen aus San Francisco getötet zu haben. Diese Anklagen waren wiederholt von Anklagejurys zurückgewiesen und in einem Fall vom Gericht abgeschmettert worden, weil die Polizei „Geständnisse“ durch Folter erpresst hatte (siehe „Protest Government Roundup of Former Black Panthers!“ [Protestiert gegen Regierungsrazzia gegen ehemalige Black Panther!], WV Nr. 885, 2. Februar). Dass Mumia das vorrangigste Angriffsziel des Staates ist, sah man an einer Kongressresolution, die im Dezember mit überwältigender Mehrheit verabschiedet wurde und in der die Entscheidung der Pariser Vorstadt Saint-Denis, eine Straße nach ihm zu benennen, verurteilt wurde.

Mit Veranstaltungen in Los Angeles, Chicago, der Bay Area, Toronto und New York erbrachten die Feiertagssammlungen über 10000 Dollar für 16 Empfänger des Unterstützungsfonds für Klassenkriegsgefangene. Neben Mumia gehören zu den Empfängern acht Mitglieder von MOVE aus Philadelphia, die ehemaligen Black-Panther-Unterstützer Mondo we Langa und Ed Poindexter, Jaan Laaman und Thomas Manning von den Ohio 7, Leonard Peltier, ein Führer der Indianerbewegung, Mumias Sohn Jamal Hart und Gefängnisaktivist Hugo Pinell. Jeder dieser Fälle zeigt, dass es für jemanden, der als Gegner der rassistischen kapitalistischen Herrscher angesehen wird, vor den bürgerlichen Gerichten keine Gerechtigkeit gibt.

Nachstehend drucken wir die redigierte Version eines Vortrags ab, den die PDC-Rechtsanwältin Rachel Wolkenstein am 17. Dezember auf der Benefizveranstaltung in New York hielt.

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Wir können uns nicht einlullen lassen und denken, es sei eine großartige Gelegenheit für Mumia, dass er ein Berufungsverfahren vor dem Dritten Bundesberufungsgericht anhängig hat, das drei (und nur drei) seiner über zwei Dutzend Rechtsbeschwerden verhandeln wird. Es ist gut, dass das Gericht diese Beschwerden verhandelt. Aber genauso gut könnte das Gericht auch einer endgültigen Entscheidung den Weg ebnen, dass Mumia hingerichtet werden soll.

Vor meinem ersten Treffen mit Mumia zusammen mit Paul Cooperstein, ebenfalls vom Partisan Defense Committee, im August 1987 ließ uns Mumia ein Zitat aus Heinrich VI. zukommen, dass wir nach der Eroberung der Macht als erstes alle Rechtsanwälte umbringen werden. Wir schickten ihm ein Zitat von W.I. Lenin zurück, das ähnlich negative Empfindungen gegenüber Rechtsanwälten zum Ausdruck brachte.

Die Arbeit, die ich zusammen mit anderen Genossen des Partisan Defense Committee tue, ist neben der juristischen Unterstützung das Vorantreiben von Propaganda, Öffentlichkeitsarbeit und Protesten mit dem Schwerpunkt, die soziale Macht der Arbeiterbewegung zu mobilisieren, da die Arbeiterklasse die einzige wirkliche Macht hat, etwas zu verändern. Unsere Arbeit geht von dem Verständnis aus, dass die Ungerechtigkeit in dieser Gesellschaft nur auf eine einzige Art und Weise abgeschafft werden kann, durch eine sozialistische Revolution, und auf diesem Weg müssen wir mit aller Macht für Mumias Freiheit kämpfen und für jedes demokratische Recht. Die Missstände des kapitalistischen Systems werden nicht aufhören, das kapitalistische System wird überhaupt nicht dauerhaft reformiert werden können. Nur durch eine Veränderung des Gesellschaftssystems, d.h. durch Sozialismus, ist eine grundlegende Veränderung möglich.

Mumia ist kein Marxist. Mumia ist kein Sozialist. Aber er ist absolut unversöhnlich in seinem Widerstand gegen rassistische Unterdrückung, gegen die Auswüchse des Kapitalismus, gegen Ungerechtigkeiten, gegen den amerikanischen Imperialismus. Aus diesem Grund ist er zur Zielscheibe der Herrscher dieses Landes geworden, die in ihm das Gespenst einer schwarzen Revolution sehen. Für sie war er das seit den ersten Tagen als Mitglied der Black Panther Party, seit er ein Fürsprecher für die Organisation MOVE wurde, und wegen seiner wiederholten Erklärungen zur Verteidigung von Schwarzen und anderen gegen den kapitalistischen Staat. Und aus all diesen Gründen ist der kapitalistische Staat – die Gerichte, die Staatsanwaltschaft, die bürgerlichen Politiker – dazu entschlossen, Mumia hinrichten zu lassen oder wegzuschließen in der lebendigen Hölle lebenslänglicher Haft.

Wir haben mit enormen Schwierigkeiten zu kämpfen. So muss diese Zusammenkunft, bei der wir Spaß haben, tanzen und wunderbare Musik hören, eine Art Atempause sein und eine Möglichkeit, uns neu zu organisieren für den ganz entscheidenden Kampf, Mumias Hinrichtung zu verhindern und seine Freilassung zu bewirken. Ich möchte die Tatsache betonen, dass im Laufe der Jahre Millionen Menschen auf der ganzen Welt Mumias Fall aufgegriffen haben. Und zwar aufgrund der Arbeit des Partisan Defense Committee, das wie die Labor Black League mit der Spartacist League/U.S. verbunden ist, und aufgrund der Arbeit vieler, vieler anderer Organisationen, die überhaupt nicht die Politik des PDC teilen. Dazu gehören die Organisation MOVE, die verschiedenen Freiheit-für-Mumia-Bündnisse, Equal Justice und Noelle Hanrahan vom Prison Radio Project und viele Organisationen weltweit. Doch wir haben als einzige das Verständnis, dass der kapitalistische Staat nicht reformiert werden kann und dass Mumias Fall, aus all den von uns genannten Gründen, den Inbegriff der Rassenfrage, der Klassenfrage und des Kampfes für die Freiheit von uns allen darstellt.

Menschen auf der ganzen Welt identifizierten sich mit Mumia und seinem Fall aus tief empfundenem Abscheu vor all den Ungerechtigkeiten, die für den Kapitalismus typisch sind – Armut, Krieg, Rassen- und ethnische Vorurteile. Bei alledem sahen sie in ihm ein Symbol. Obgleich 23 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche in Einzelhaft weggeschlossen, hat Mumia dennoch niemals seine Überzeugungen und seinen Kampf gegen die Ungerechtigkeiten des Systems aufgegeben.

Hier muss betont werden, was geschieht, wenn man auf die Straße geht und einen neuen Prozess fordert auf der Grundlage, dass die Gerichte unter Druck gesetzt werden können, fair zu sein. Andere politische Organisationen, die sich sozialistisch nennen, wie Socialist Action, die International Socialist Organization und Workers World, wissen ganz genau, dass solche Forderungen im Widerspruch stehen zu dem Verständnis, dass der Kapitalismus gestürzt werden muss. Diese reformistischen Gruppen verbreiten Illusionen, dass die Gerichte reformiert werden können, dass wir damit rechnen können, dass die Gerichte etwas Gerechtigkeit walten lassen. Nun ja, die Gerichte werden reagieren, aber nur aus Furcht vor Massenaktionen, besonders vor den Aktionen der organisierten Arbeiterklasse mit ihrer Macht zu streiken. Durch solche sozialen Unruhen sehen sich die Gerichte zu ein paar Verbesserungen am System veranlasst.

Frühzeitige Beweise der Unschuld

Ich arbeitete in Mumias Rechtsanwaltsteam von ungefähr 1995 bis Juni 1999. Davor taten wir im PDC unser Bestes, Mumia bei der Suche nach einem guten Anwalt zu helfen. Wir machten auch eine Kampagne, um klarzumachen, wer Mumia war – ein Mitglied der Black Panther Party, ein MOVE-Unterstützer, ein schwarzer Militanter und Journalist. Das Partisan Defense Committee ist davon überzeugt, dass Mumia unschuldig ist. Und im Wesentlichen ist das Beweismaterial für Mumias Unschuld, das in dem Zeitraum von 1995 bis 2001 aufgedeckt wurde, unserer Arbeit zu verdanken. Nicht weil wir großartige Rechtsanwälte wären oder die erfahrensten, sondern weil wir verstanden haben, dass der Staat ein Komplott gegen Mumia geschmiedet hat und dass Mumia unschuldig ist.

Das Beweismaterial war da, man musste es nur sehen. Im Jahre 1995 sagte ein Mann namens William Singletary bei einer Anhörung für Mumia aus. Singletary ist ein Schwarzer, kein Linker, sondern ein Vietnamveteran, der ein Abschleppunternehmen besaß, bei dem er sehr auf Kooperation mit den Bullen angewiesen war, und er war zufällig an der Straßenecke in der Innenstadt, als Daniel Faulkner erschossen wurde. Er versuchte den Bullen zu sagen, dass er jemanden mit einer grünen Armeejacke aus einem Auto habe steigen und den Bullen erschießen sehen, und Mumia sei erst danach aufgetaucht. Sie wollten nichts davon hören. Sie bedrohten ihn, übten Zwang aus und fälschten seine Zeugenaussagen. Er verließ die Stadt und war beim Prozess von 1982 nicht anwesend. Wir konnten Singletary dazu bewegen, 1995 bei Mumias Berufungsverhandlung aufgrund des Post Conviction Relief Act (PCRA) auszusagen.

Wir fanden auch Veronica Jones, und sie sagte im folgenden Jahr vor Gericht aus. Sie war eine Prostituierte, die beim Prozess von 1982 bezeugt hatte, am Tatort gewesen zu sein, aber eigentlich nicht sehr viel von dem mitbekommen zu haben, was passiert war. Dies widersprach ihrer anfänglichen Zeugenaussage, sie habe den Schützen vom Tatort fliehen sehen. Als sie 1996 als Zeugin aussagte, gab sie zu, beim Prozess gelogen zu haben. Sie sagte, ihre ursprüngliche Aussage sei wahr, sie habe den Schützen vom Tatort fliehen sehen, sie sei aber von Bullen zu einer anderen Aussage gezwungen worden, die damit gedroht hätten, sie würde aufgrund einer Anklage wegen Raubes für lange Zeit eingebuchtet werden und ihre kleinen Kinder nicht sehen. Als sie 1996 aussagte, zerrte die Staatsanwaltschaft sie aus dem Zeugenstand und verhaftete sie im Gerichtssaal aufgrund eines zwei Jahre alten Haftbefehls aus New Jersey wegen Bagatelldiebstahls.

Und dann gab es eine weitere PCRA-Anhörung 1997, bei der eine andere ehemalige Prostituierte namens Pamela Jenkins – die als Prostituierte die Geliebte eines aufgrund von Bundesgesetzen wegen Korruption angeklagten und verurteilten Bullen war – aussagte, mehrere Polizeibeamte hätten gewusst, dass Mumia nicht der Schütze war. Sie bezeugte, dass Cynthia White, eine weitere Prostituierte und die Hauptzeugin der Anklage, gelogen habe, als sie sagte, sie habe Mumia auf Faulkner schießen sehen. Sie log infolge von Drohungen der Bullen und aus Angst vor ihnen.

Dies sind einige der Dinge, die sich in der frühen Phase ereigneten, bevor der inzwischen verstorbene Richter Sabo ins Spiel kam – der rassistische Richter, der den Gerichtssaal ohne auch nur den geringsten Anspruch auf ein vermeintlich faires Verfahren leitete. Im Jahre 1982 erklärte Richter Sabo vor Mumias Prozess in Anwesenheit einer Gerichtsstenografin und eines anderen Richters: „Ich werde ihnen dabei helfen, den N----r zu braten.“ Das war Richter Sabo.

Die Bedeutung des Beverly-Geständnisses

Ich möchte ein wenig über Arnold Beverly sagen, der den Mord an Faulkner gestanden hat. Arnold Beverly war ein Auftragsmörder für den Mob [das organisierte Verbrechen]. Er wurde laut seiner Aussage vom Mob und den Bullen – über einen Verbindungsmann der Bullen – angeheuert, um Faulkner in jener Nacht im Dezember 1981 zu erschießen. Er hatte gehört – und mehr hatte man ihm nicht gesagt –, dass Faulkner für die Bullen und den Mob ein Problem gewesen sei. Der Bezirk Center City strotzte nur so von Korruption. Die Bullen bekamen Schmiergelder von den Klubs, vom Glücksspiel, von der Prostitution.

Später erfuhren wir, dass zu dem Zeitpunkt, als Faulkner getötet wurde, drei Bundesermittlungen wegen Polizieikorruption liefen, was die Tatsache enthüllte, dass die Polizei und der Mob Hand in Hand arbeiteten. Wir haben eine eidesstattliche Erklärung eines Zeugen, der bei mehreren verschiedenen Strafverfahren des Bundes aussagte, er habe von Bullen gehört, dass sie fürchteten, es gebe einen Polizeiinformanten, der für das FBI arbeitet. Wir denken, dieser Informant war Faulkner, die Tötung Faulkners war ein Auftragsmord und Beverly war einer der gedungenen Täter. Als Mumia, ganz zufällig, am Tatort erschien, wussten die anwesenden Bullen genau, wer er war. Einige in Korruption verwickelte Polizisten waren genau dieselben Bullen, die einst die Panther angegriffen hatten und die MOVE angegriffen hatten.

Der leitende Polizeibeamte am Tatort am 9. Dezember 1981 war Inspektor Alfonzo Giordano. Er war auch zufällig die rechte Hand von Frank Rizzo, dem ehemaligen Polizeichef und Bürgermeister von Philadelphia. Zufällig war er auch der Leiter der Stakeout-Einheit [taktische Eliteeinheit], des SWAT-Teams in Philadelphia, das 1969 und 1970 hinter den Panthern her war. Er war auch der verantwortliche Bulle bei der Errichtung der Barrikaden um das MOVE-Grundstück in Powelton Village 1977/78.

Als die Bullen Mumia im Dezember 1981 am Tatort sahen, kannten sie ihn alle als denjenigen, der damals 1970 mit 16 Jahren Sprecher der Panther gewesen war, der nach den FBI-Morden an Panthern seine Stimme erhoben hatte. Weniger als zehn Jahre später wurde Mumia ein Reporter und entlarvte die Lügen, die von den Bullen und der Stadt über die Organisation MOVE verbreitet wurden. Mumia berichtete über den Prozess der MOVE 9, die zu Unrecht dafür verurteilt wurden, während der Belagerung von Powelton Village einen Bullen getötet zu haben, wo doch in Wirklichkeit der Bulle im Kreuzfeuer der Polizei ums Leben kam. MOVE-Mitglieder wurden zu 30 bis 100 Jahren Gefängnis verurteilt. Dieser Prozess fand im August 1981 statt. Im Dezember 1981 wurde Faulkner erschossen und Mumia angeschossen und fast getötet. Die Polizei wusste genau, wer Mumia war, und sie war wirklich froh, ihn erwischt zu haben.

Nun, es zirkulieren eine Menge Geschichten über Arnold Beverly, dass er nur auf das Geld und den Ruhm aus sei und dass er viele verschiedene Geschichten erzählt habe. Es gibt eine eidesstattliche Erklärung von Beverly in der PDC-Broschüre The Fight to Free Mumia Abu-Jamal, die ihr lesen solltet. Erstmals sprach ich mit Arnold Beverly im Jahre 1989. Er sagte mir eine Menge Dinge, die sich niemals änderten, mit einer Ausnahme. 1989 gab er nicht zu, Faulkner getötet zu haben. 1999 gab er dies zu. Das Wesentliche seiner Aussage, zum Beispiel über die einzelnen Bullen, die an der Inszenierung der Tat beteiligt waren, bleibt unverändert. Arnold Beverly gestand und ist bereit, für Mumia auszusagen, nicht weil er ein guter und selbstloser Kerl ist und auch nicht wegen Geld. Vielmehr versuchten die Bullen in dieser Nacht auch Beverly zu töten, weil sie den Anschein erwecken wollten, als habe es nur eine Straßenschießerei zwischen ein paar Schwarzen gegeben, bei der Faulkner mittendrin erschossen worden sei. Und Beverly wurde in dieser Nacht angeschossen.

Ich möchte das Gerücht ansprechen, Mumia wolle mit dem Beverly-Beweismaterial nichts zu tun haben. Mumia weiß, was das PDC in seinem Fall tut, wie in all den 20 Jahren, die wir mit ihm arbeiten. Das bedeutet nicht, dass Mumia mit allem, was das PDC sagt, übereinstimmt, aber wir haben in seinem Fall nichts ohne sein Wissen unternommen, zu allem konnte er ja oder nein sagen. Er weiß von den vom PDC initiierten Zeitungsanzeigen, die unter der Überschrift „Mumia Abu-Jamal ist unschuldig!“ veröffentlicht wurden und die gegen das staatliche Komplott protestieren und Beweismaterial für seine Unschuld anführen, darunter das Geständnis von Arnold Beverly. Mumia hat die ganze Arbeit, die wir tun, gutgeheißen.

Warum wird deswegen so viel Trara gemacht? Ich möchte klarstellen, dass das Beverly-Beweismaterial erst 2001 ins Blickfeld geriet. Sein Beweismaterial bot ein vollständiges Bild der Geschehnisse. Das äußerst widersprüchliche Beweismaterial, das von der Anklage bei Mumias Prozess vorgelegt wurde, lässt sich erst mit Hilfe der von Beverly gelieferten Informationen erklären. Dabei geht es um die Anzahl der Schützen und deren Standort. Es geht um den Schusswaffentyp, der benutzt wurde.

Ganz wichtig: Bei dem Beverly-Beweismaterial geht es darum, wie auf Mumia geschossen wurde – nicht von Faulkner, sondern von einem anderen Bullen. Und es gab etwas, das uns die ganze Zeit über Kopfzerbrechen bereitet hat. Wir sind die Akten durchgegangen, und es gab all diese Hinweise in Polizeiberichten, die besagten, dass der Schütze eine grüne Armeejacke getragen habe. Jemand sagte, der Kerl in dem Auto, das von Faulkner am Tatort angehalten wurde, habe eine grüne Armeejacke getragen, und jemand anderes sagte, Mumia habe eine grüne Armeejacke getragen. Sechs oder sieben Leute sagten, am Tatort habe es jemanden mit einer grünen Armeejacke gegeben.

Ich habe das Beweismaterial der Staatsanwaltschaft gesehen und ich habe mit Mumia und seinem Bruder, Billy Cook, gesprochen. Und ich sage euch, Mumia hat in dieser Nacht keine grüne Armeejacke getragen. Er trug eine Art wattierter Skijacke, rot mit breiten blauen Streifen auf der Vorderseite. Billy Cook trug eine blaue Jacke im Nehru-Stil mit Messingknöpfen. Und auch Faulkner trug keine grüne Armeejacke; er trug eine Polizeiuniform. Singletary sagte, der Schütze habe eine grüne Armeejacke getragen. Zwei Bullen sagten, es habe dort eine grüne Armeejacke gegeben, und von denen sagte einer, der Schütze habe eine grüne Armeejacke angehabt. Arnold Beverly sagte, er habe eine grüne Armeejacke getragen.

Abgekartet und vertuscht

Darüber hinaus passt das Beweismaterial der abgegebenen Schüsse nicht zu der Beweisführung der Anklage. Die Bullen und die Staatsanwälte erfanden auch ein Geständnis, das Mumia angeblich gemacht habe. Und zu dieser Frage des Geständnisses lasst mich noch einmal nachhaken. Giordano der bei Mumias Verhaftung am Tatort war, erfand einen Zeugen, dem, wie sich herausstellt, Versprechungen gemacht wurden und der nicht an dem von der Staatsanwaltschaft behaupteten Ort war. Giordano erfand auch die Geschichte, dass Mumia – nachdem er angeschossen, verprügelt und in einen Polizeiwagen geworfen worden war – gestanden habe und dass seine Schusswaffe einfach am Tatort gelegen habe.

Giordano hat beim Prozess nie ausgesagt. Tatsächlich wurde Giordano während Mumias Prozess aus dem regulären Dienst abgezogen und in den Bürodienst versetzt. Am Tag nach der Verkündung des Todesurteils schied er aus dem Polizeidienst aus. Erst 1986 wurde er wegen Korruption und Steuerhinterziehung aufgrund der Annahme von illegalen Schmiergeldern in Höhe von zigtausend Dollar während des Zeitraums 1979/80 angeklagt und bekannte sich schuldig. Um das Jahr 1981 ging es dabei nicht. Doch wir haben einen Zeugen, der sagt, dass die in diesem Jahr laufenden Bundesermittlungen auch gegen Giordano gerichtet waren.

Nichts an der Beweisführung der Anklage hält einer Untersuchung stand. Man sehe sich die ballistischen Beweise an und die Zeugen, was sie behaupteten, gesehen zu haben, und was die Anklage behauptet, und es lässt sich nicht aufrechterhalten. Es gibt Beweise noch und noch, dass Mumia unschuldig ist, dass seine Verurteilung ein Komplott von Polizei und Staatsanwaltschaft war, dass das FBI ganz genau weiß, wer in den Fall verwickelt war. Sie wussten, dass Faulkner als Informant oder auf andere Weise darin verwickelt war. Und sie wussten, dass gegen Bullen wie Giordano, die mit der strafrechtlichen Verfolgung Mumias zu tun hatten, ermittelt wurde. Nichts davon kam während Mumias Prozess ans Tageslicht. Und das Gericht verweigerte Mumias Verteidigung während der PCRA-Anhörungen von 1995 bis 1998 jegliche Informationen.

Das Beverly-Beweismaterial macht es unmöglich, dass irgendjemand behauptet, bei Mumias Fall gehe es um einen schurkischen Bullen oder einen nicht ganz so ehrlichen Staatsanwalt und einen rassistischen Richter. Mumias Fall ist ein Beweis für den Charakter des kapitalistischen Staates, den Charakter der Gerichte, der Bullen und der Staatsanwaltschaft.

Vor etwa einer Woche bekam ich einen Anruf von Frank Serpico. Manche kennen ihn vielleicht als den New Yorker Bullen, der 1971 über Polizeikorruption auspackte. Was er mir über die Fraternal Order of Police (F.O.P.) [Polizeibruderschaft] sagte, ist sehr interessant. Er sagte: Ich kenne diese Typen. Ich weiß, dass die Tatsache, dass die Fraternal Order of Police jede Person verfolgt, die sich öffentlich für Mumia ausgesprochen hat, ein Beweis dafür ist, dass sie etwas zu verbergen haben, dass dies Mumias Unschuld und die Bestechlichkeit dieser Bullen beweist. Denn die F.O.P. hat sich immer schützend vor die Bullen gestellt.

Nun, ich stimme nicht mit Serpico darin überein, dass es möglich sei, eine Polizei ohne korrupte Bullen zu haben. Das will ich klarstellen. Aber das ist ein Mann, der sein ganzes Leben lang versuchte, etwas Ehrlichkeit bei der Polizei zu finden, und der dabei sein Leben aufs Spiel setzte. So muss man das, für sich genommen, anerkennen. Diese Polizeikräfte sind sehr mächtig und sie werden von den Demokraten und Republikanern auf alle mögliche Art und Weise unterstützt. Und ins gleiche Horn stoßen die Pseudosozialisten, die die Lüge verbreiten, der kapitalistische Staat könne reformiert werden.

Zum Schluss möchte ich folgendes betonen. Wir haben eine ganz, ganz riesige Schlacht vor uns. Es wird uns überhaupt nicht helfen, zu glauben, es sei die Lösung für Mumia, dass vielleicht der Berufungsgerichtshof in Mumias Fall eine mündliche Verhandlung durchführen und irgendwann in den nächsten paar Monaten eine Entscheidung fällen wird. Jede einzelne Phase von Mumias Fall hat gezeigt, dass die Gerichte entschlossen sind, Mumia hinrichten zu lassen oder ihn sein Leben lang im Gefängnis zu begraben. Wir hier heute Abend sind noch nicht genug, sondern wir brauchen Massenmobilisierungen, deren Schwerpunkt in erster Linie die Macht der Arbeiterbewegung ist, mit ihren Verbündeten – Jugendliche, Arbeitslose usw. –, um zu zeigen, dass wir nicht zulassen werden, dass der Staat Mumia hinrichtet oder lebenslänglich im Gefängnis begräbt, um zu zeigen, dass wir entschlossen sind zu kämpfen, damit Mumia sofort freikommt. Freiheit für Mumia, sofort!